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II. Cbb. Roosevelt Cassorla
Cassorla ((2001, 2005, 2008, 2012, 2017, 2018) hat die psychoanalytische Feldtheorie in einer ganzen Reihe von Publikationen weiterentwickelt. Im Folgenden erläutern wir einige seiner wichtigsten Beiträge.
(1) Die Komplexität des Feldkonzeptes Cassorla (2017) schreibt, die Realität könne je nach Blickwinkel des Beobachters „einfach“ oder „komplex“ sein. Das Feldkonzept und die damit zusammenhängenden Überlegungen veranlassen den Beobachter, Fakten weniger Aufmerksamkeit zu widmen als den Beziehungen und ihrer wechselseitigen Beeinflussung. Diese Beziehungen verändern sich laufend, und ebendiese Beobachtung konstituiert eine Felddynamik. Das Feld ist das Produkt der Beobachtungsfähigkeit des Beobachters, und wir dürfen nicht vergessen, dass jeder Beobachter die Fakten, die er beobachtet, beeinflusst. Mit anderen Worten: Der Beobachter ist Teil des Feldes. Jede Vorstellung einer „objektiven Beobachtung“ ist somit hinfällig, und deshalb müssen Beobachter als Teilnehmer des Feldes lernen, ihre Subjektivität zu objektivieren. Durch Beachtung der Komplexität des Konzepts kann man bestimmte Regeln identifizieren, die das Geschehen in Feldern bestimmen. Die Prinzipien Ungewissheit und Unvollständigkeit besagen, dass Beobachtung immer vorläufig, ungewiss, partiell und flüchtig ist. Etwas, das beobachtet wird, verändert sich, und zwar nicht nur, weil es sich in ständiger Bewegung befindet, sondern auch, weil es durch den Beobachtungsprozess an sich beeinflusst wird. Es ist aber unmöglich anzugeben, wie stark der Einfluss des Beobachters auf das von ihm Beobachtete ist und umgekehrt. Eine vermeintliche Lähmung des Feldes kann lediglich eine Lähmung der Fähigkeit des Beobachters sein, den Blickwinkel zu wechseln. Cassorla (2017) identifiziert die Funktionen, die der Analytiker dem Feld zuschreibt, und die Faktoren, die ihn veranlassen, die Blickwinkel zu beziehen, die diese Funktionen determinieren. Das heißt, jeder Analytiker benutzt und identifiziert die expliziten und impliziten Theorien, die ihn veranlasst haben, einem bestimmten Feld anzugehören. Auf diese Weise beschreibt Cassorla (2017) die Fähigkeit, das symbolische Gedankennetzwerk mit Rücksicht auf die Vielfalt der Perspektiven (Vertices), aus denen der Analytiker die Funktionen des Feldes beobachtet, zu transformieren und zu erweitern. Die Transformation dieses Netzwerks zeigt sich in der wachsenden Fähigkeit der analytischen Dyade, ihren Erfahrungen Bedeutung zuzuschreiben, d.h. über die bewussten und unbewussten Fakten, die im analytischen Feld identifiziert werden können, nachzudenken. Auf diese Weise entwickeln sich psychische Ressourcen, die es den Beteiligten erlauben, sich mit der Realität auseinanderzusetzen und sie zum Nutzen der Beteiligten (und, so steht zu hoffen, der gesamten Menschheit) zu transformieren.
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