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als Treffpunkt der multiplen Charaktere des Patienten und des Analytikers verstanden wird. All diese Charaktere führen, wie auf einer Bühne, ein eigenes Leben (Ferro und Basile 2008). Die Transformationen, die sie in den Sitzungsnarrativen erfahren, repräsentieren demnach die Transformationen des analytischen Feldes. Ferro (2009) und Giuseppe Civitarese (Civitarese 2008; Ferro und Civitares 2013a, b) betonen, dass der Analytiker in seiner Reverie Psyche und Körper einsetzt, um mit den unbewussten Prozessen im Patienten und zwischen dem Patienten und ihm selbst in Berührung zu kommen. Im Kontext der klassischen Psychoanalyse werden Personen, über die der Patient spricht, normalerweise als Figuren aus seiner Vergangenheit betrachtet. In einem kleinianischen Analysemodell werden die Charaktere, die in der Sitzung auftauchen, als innere Objekte verstanden, als Bewohner der inneren Welt des Patienten. Unter dem Blickwinkel des Feldkonzepts ist eine weitere Komplexität zu berücksichtigen: das Konzept der Personen wird durch das Konzept der Charaktere ersetzt. Wenn der Patient beispielsweise über seinen Onkel Francis, über seinen Hund, seinen Großvater oder seinen Bruder spricht, werden diese Charakter als Ko- Konstruktionen des Analytikers und des Patienten betrachtet, die im Setting laufende Signale über das Leben des Feldes senden. Ungeachtet des Diskurses, ungeachtet seiner Breiten- und Längenkoordinaten oder der Art und Weise, wie sich das Thema des Narrativs in der Sitzung entfaltet, konstituieren die in die Szene eingeführten Charaktere Feldfunktionen, die zur Konstruktion und Kommunikation all dessen dienen, was in den Tiefen des psychischen Lebens des Feldes vonstatten geht. Ferro (2009, 2017a) hat auch eine Operation beschrieben, die er als „Feld-Zero- Zeit“ oder als Trauer um die Realität bezeichnet: „Operation ‚Feld-Zero-Zeit‘ ist Trauern um Realität. Diese Realität, die der Zeit ‚Zero‘, ‚O‘, der letzten (oder ersten) Realität entspricht, die in dem Schwarzen Loch der Spalte 2 von Bions Raster ausgearbeitet wird (wie uns Grotstein auf außerordentliche Weise in Erinnerung ruft), das ‚Realität‘ausströmt und einsaugt, sie in ein Narrativ transformiert oder die verschiedenen Wege durch sie hindurch benutzt, sie alphabetisiert, wie man sagen könnte, und in Material verwandelt, das für die Konstruktion des Traumes geeignet ist“ (2017a, S. 73). Das analytische Feld hat laut Ferro keine Grenzen mit Ausnahme der Grenzen seiner immerwährenden Expansivität . Im analytischen Feld findet „360-Grad- Zuhören“, „Rundumzuhören“, statt. In der „Raum-Zeit“ der Analyse – und diese beruht auf der Trias aus Setting, Analytiker und Patient – gibt es keine Phänomene oder Kommunikationen außerhalb des Feldes. Selbst die realsten und realistischsten Kommunikationen sind für das Feld relevant, auch wenn es Zeit braucht, bis diese Relevanz verstanden oder ausgedrückt werden kann. Jede Kommunikation wird letztlich dekonstruiert, entkonkretisiert und mit multiplen möglichen Szenarien redramatisiert. Auf diese Weise legt Ferro die Betonung auf die Entwicklung der narrativen Fähigkeit , die im Feld durch die Operationen der Entkonkretisierung, Entsättigung und Dekonstruktion auflebt. Dies eröffnet die Möglichkeit von Ko-
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