Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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konstruktion, Ko-Narration und gemeinsamem Spiel. Wie Ferro (2019) später erläuterte, werden Lesen, Schreiben und Spiel zu Instrumenten und Fundamenten der Kreativität . Ausgehend von einem gesättigten und konkreten Inhalt werden neue emotionale Erfahrungen gewebt. Hier ist das analytische Feld auch die Stätte all der potenziellen Identitäten von Patient und Analytiker, was indes nicht bedeutet, dass all diese potenziellen Identitäten zum Leben erwachen oder integriert werden: Manchmal ist es angemessen, dass sie dauerhaft abgespalten in den Schichten des Feldes verbleiben, wenn dies der Entwicklung des Seelenlebens und der Kreativität zuträglich ist. Aus einer relationalen Perspektive ist das psychische Geschehen des Analytikers in der Sitzung eine Operation, die auf bestimmte Weise von den Assoziationen des Patienten gefunden und aufgenommen wird. Mit der Feldtheorie kommen hier insofern Komplikationen ins Spiel, als das, was in der Stunde lebendig wird, das Funktionieren des Feldes an sich bezeichnet und beschreibt, ohne das es möglich wäre zu bestimmen, was vom Patienten und was vom Analytiker stammt. Das Feld muss imstande sein, sich von einem Beta-Feld in ein Alpha-Feld zu verwandeln. Insgesamt gesehen hat Antonino Ferro (2017b) das Konzept des Feldes auf mannigfaltige Weise bereichert, indem er einige von Bions späteren Überlegungen zu Transformationen in O und seine reichen Gedanken über die Entwicklung des Denkens integriert hat. Er hat das Konzept des erweiterten Feldes eingeführt, indem er das Feldkonzept mit der metabolischen und elaborativen Alpha-Funktion und der „narrativen Funktion“ verbunden hat, die es ermöglicht, Emotionen in Narrative zu transformieren und Narrative in Emotionen. Zusätzliche Komplexität wird dadurch erreicht, dass das Feldkonzept nicht allein auf die Dyade begrenzt wird, sondern Bions binokulare Auffassung des Individuums-in-der-Gruppe-als-Ganzer berücksichtigt. II. Db. Entwicklungen in Frankreich In Frankreich wurde in Vorbereitung auf den Madrider IPV-Kongress einer der wichtigsten Artikel der Barangers, “Die analytische Situation als dynamisches Feld” (2018 [1961-62]), von Luisa de Urtubey übersetzt. In ihrer „Einleitung“ (1985) unterstreicht de Urtubey die Bedeutung dieses Beitrags als Referenzartikel der südamerikanischen Psychoanalyse. Luisa de Urtubey und Haydée Faimberg (1987), beide aus Südamerika und Mitglieder der Psychoanalytical Society of Paris, haben wichtige Beiträge verfasst, um der französischen psychoanalytischen Community das lateinamerikanische Denken ins Bewusstsein zu rufen. Faimberg (1987) entwickelte das Konzept „Dem Zuhören zuhören“, dem die Arbeiten der Barangers und José Blegers zugrunde liegen. Dem Zuhören zuzuhören bedeutet, zu hören, „wie“ der Patient die Deutungen der Analytikerin, ihre Intervention und auch ihr Schweigen hört und interpretiert oder

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