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hervorgeht, kann nicht symbolisiert werden; es entzieht sich der Repräsentation und beruht auf Präsentation. Präsentation ist nicht das Gegenteil von Repräsentation. Sie gehorcht der Logik der Auswirkungen des Präsenten, einer Beziehung zwischen zwei Subjekten, die ihre Andersheit in der Begegnung nicht verlieren. VI. Af. Pichon Rivières Beitrag Enrique Pichon Rivière war Gründungsmitglied der Argentinischen Psychoanalytischen Vereinigung und übte auf die persönliche Entwicklung und intellektuelle Produktivität einer großen Zahl ihrer führenden Denker einen prägenden Einfluss aus. Stellvertretend genannt seien an dieser Stelle José Bleger, Willy und Madeleine Baranger, David Liberman, Heinrich Racker und Horacio Etchogoyen. Als Teil der pulsierenden künstlerischen, literarischen und journalistischen Bohemiankultur des frühen 20. Jahrhunderts wurde Pichon Rivière oft als das psychosoziale Gesicht der argentinischen Psychoanalyse bezeichnet. Pichon Rivière (1965/1971) betonte den engen Zusammenhang zwischen der Individual- und der Sozialpsychologie. Er unterstrich die Bedeutsamkeit der sozialen Gruppe für die Konstitution und den Erhalt der persönlichen Identität sowie die prägende Rolle, die das Intrapsychische – die unbewusste Phantasie und die persönliche Psychologie – für die Kultur und die soziale Umwelt spielt. Pichon Rivière war der Ansicht, dass die Sozialpsychologie eine psychoanalytische und die Psychoanalyse selbst als eine Sozialpsychologie gesehen werden sollten. Nach Meinung dieses Autors konstituieren sich die heranreifende Persönlichkeit und Identität, das Selbst und das Selbstgefühl in höherem Maß durch die Welt der Interaktion (der interpersonalen, intersubjektiven, relationalen Erfahrung) als (lediglich) durch ein Zuviel angeborener Triebe. Zudem wird die Bedeutung sämtlicher Interaktionen durch die unbewussten Aspekte, die der Verbindung im Innern des Patienten inhärieren, modifiziert. Seine Überlegungen erwiesen sich als einflussreicher Vorläufer nicht nur des Feldkonzepts der beiden Barangers, sondern auch verschiedener Richtungen, die auf eine theoretische Ausarbeitung der intersubjektiven Dimension des analytischen Prozesses, der positiven Funktion der Gegenübertragung des Analytikers, einer vorläufigen Theorie von Akt und Aktion in der Behandlung sowie zahlreicher weiterer Formulierungen zielen, denen die heutige lateinamerikanische Psychoanalyse ihre besondere Ausstrahlung verdankt. Pichon Rivière erweiterte das Konzept des Ödipuskomplexes um sämtliche triangulären Beziehungen, beginnend mit der Art und Weise, wie eine dritte Person in der mütterlichen Psyche die Verknüpfung zwischen Mutter und Kind verändert. Sodann beschrieb er das generelle Prinzip, dass Zwei-Personen-Verknüpfungen unweigerlich durch die Präsenz einer dritten Person verändert werden. Aus diesem Grund wird das Individuum von Beginn an in einer triadischen Struktur geprägt, so dass die frühe Beziehung bikorporal (zweikörperlich) und tripersonal ist. Während die frühe Beziehung also dem Anschein nach eine dyadische ist, spielt der/die Dritte stets und von Anfang an in der Psyche der Mutter eine Rolle.
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