Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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psychologischen/strukturtheoretischen Formulierungen betonten die Verbindungen zwischen der Aktivität des Ichs und der Entwicklung der Objektbeziehungen und des Selbst. Um Klarheit in die Mehrdeutigkeit zu bringen, die dem Freudschen „Ich“- Begriff und Stracheys umstrittener Übersetzung mit „Ego“ inhärent ist, traf Heinz Hartmann (1939, 1950) eine Unterscheidung zwischen dem Selbst als ganzer Person, Persönlichkeit oder Organisation einschließlich Psyche und Soma einerseits und dem Ich als System oder psychischer Struktur: “Tatsächlich scheinen aber bei der Anwendung des Begriffes Narzißmus oft zwei verschiedene Gegensatzpaare in eines verschmolzen zu sein. Das eine bezieht sich auf das Selbst (die eigene Person) im Gegensatz zum Objekt, die [sic] andere auf das Ich (als ein psychologisches System) im Gegensatz zu den anderen Teilstrukturen der Persönlichkeit. Das Gegenteil von Objektbesetung ist jedoch nicht Ich-Besetzung, sondern Besetzung der eigenen Person, das heißt Selbstbesetzung. Mit dem Wort Selbstbesetzung wollen wir nicht andeuten, wo diese Besetzung lokalisiert ist, im Es, im Ich oder im Über-Ich. Diese Formulierung berücksichtigt die Tatsache, daß sich ‚Narzißmus‘ in allen drei psychologischen Systemen findet; aber in allen diesen Fällen besteht ein Gegensatz (und wechselseitige Beziehung) zur Objektbesetzung. Es trägt deshalb zur Klärung bei, wenn wir Narzißmus als Libidobesetzung nicht des Ichs, sondern des Selbsts [sic] definieren. (Es mag außerdem nützlich sein, den Ausdruck Selbst-Repräsentanz, im Gegensatz zur Objekt-Repräsentanz, anzuwenden.)“ (Hartmann 1972 [1950], S. 132) Hartmann wollte zwischen dem Selbst, dem Selbstbild und der Selbstrepräsentanz unterscheiden; darüber hinaus postulierte er einen Gegensatz zwischen Selbst- und Objektrepräsentanz und eine wechselseitige Beziehung. Da er seine ökonomische Definition des Narzissmus als libidinöse Besetzung des Selbst vorwiegend auf Freuds Beitrag „Zur Einführung des Narzißmus“ (Freud 1914), welcher der dualen Strukturtheorie von 1920 vorausging, und auf die Strukturtheorie von 1923 stützte, ließ er die Aggression und die Probleme der miteinander zusammenhängenden Konzepte Narzissmus, Ich und Selbst sowie ihre Beziehung zu Struktur und Funktion des psychischen Apparates unberücksichtigt (Blum 1982). All diese Fragen blieben der Erforschung durch die nächsten Generationen freudianischer Denker vorbehalten (Jacobson 1964; Blum 1982; Rangell 1982; Kernberg 1982), die dann auch weitere Theorien des Selbst entwickelten (s. unten). Gleichwohl ist Hartmanns Ansatz zur Unterscheidung zwischen dem Selbst als Person und der intrapsychischen Repräsentation der Person – Selbstrepräsentanz – ein bleibender Beitrag, der die dualen Aspekte des Freud’schen Ichs auch in den weltweit einflussreichen Weiterentwicklungen von Jacobson und Mahler bewahrt hat. Erik Erikson (1950,1956,1959) erweiterte Freuds Konfliktmodell und rückte es in einen sozialen und kulturellen Kontext, innerhalb dessen sich die Entwicklung

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