Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Empfindungen, Gefühlen, Gedanken und Einstellungen zu uns selbst und zur Welt (Banai, Mikulincer und Shaver 2005). Das Selbstgefühl entwickelt sich und wird aufrechterhalten durch die Selbstobjekterfahrungen des Menschen (Kohut 1984). Kohut führte das Konzept des Selbstobjekts ein, um einen bestimmten Aspekt einer Funktion der Beziehung zwischen dem Selbst und Anderen zu beschreiben. Von Geburt an sind wir mit Anderen aufs engste verbunden. Wir müssen spüren, dass sie für uns da sind und uns die emotionale Zufuhr zuteil werden lassen, ohne die wir uns nicht optimal entwickeln können (Wolf 1988). Was wir von Anderen, auf deren Responsivität wir angewiesen sind, brauchen, verändert sich im Laufe des Lebens (Kohut 1984). Die Selbstobjektfunktionen bestehen aus Spiegelung, Idealisierung und Zwillingschaft. Die Spiegelung ist Bestandtteil der Entwicklung des Größenselbst oder grandiosen Selbst. Im Zuge dieser Entwicklung trägt die elterliche Reaktion auf das Kind maßgeblich zum Aufbau und zur Stärkung seines Selbstwertgefühls und Selbstgefühls bei (Kohut 1971). Merkmal der Idealisierung ist die Sehnsucht nach einem omnipotenten Objekt, an das man sich binden kann, um sich ganz, sicher und stabil zu fühlen (Siegel 1999). Das Bedürfnis nach Zwillingsschaft ist die Sehnsucht nach jemandem, der ein Gefühl der Ähnlichkeit weckt (Kohut 1971). Kohut (1971) zufolge bilden Selbstobjektbedürfnisse die Grundlage menschlicher Erfahrung. Sie sind unabdingbar für die Kohärenz des Selbst. Die Entwicklung eines kohärenten Selbst verläuft entlang dreier Achsen: (a) der Grandiositätsachse, (b) der Idealisierungsachse und (c) der Achse der Verbundenheit mit einem Alter-Ego. Das Größenselbst oder spiegelnde Selbstobjekt : Zu den mit dem Größenselbst zusammenhängenden Funktionen zählt die Erfahrung, durch einen Anderen, der den eigenen inneren Zustand spiegelt, bestätigt oder anerkannt zu werden. So können sich Selbstwertgefühl und Selbstachtung entwickeln, die Erfahrung, von einem „Anderen“, der uns aufrichtig lobt und bestätigt, respektiert zu werden. Mitunter können solche Erfahrungen ein Gefühl der Würde vermitteln. Bewundert zu werden und sich geliebt zu fühlen ist dem Selbstvertrauen, dem Selbstbewusstsein und der Selbstsicherheit zuträglich. „Applaus“ für den Mut zu neuen Erfahrungen zu bekommen und beim Angehen an Herausforderungen, die einem alles abverlangen, Zuspruch zu erfahren stärkt das Selbstgefühl und das Gefühl der persönlichen Urheberschaft (Kohut 1968, 1971, 1972, 1975, 1978). Die idealisierte Elternimago oder Idealisierung : Zu den mit der idealisierten Elternimago zusammenhängenden Funktionen zählt das Erleben der Sicherheit, das sich aus dem Vertrauen in die Kraft und Omnipotenz eines Anderen, der als Beschützer wahrgenommen wird, herleitet. An der Stärke dieses Menschen teilzuhaben und die Erfahrung zu machen, beschützt zu werden, vermittelt ein Gefühl der Kompetenz und Effektivität. Die Erfahrung, dass ein Anderer die eigene Erregung oder Überstimulation zu dämpfen vermag, führt zur Entwicklung von Selbstkontrolle, Selbstdisziplin und

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