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Selbstregulation. Die Erfahrung, von einem Anderen, der Zuspruch spendet und freudige Lebendigkeit ausstrahlt, beruhigt, getröstet und besänftigt zu werden, ist der Fähigkeit zuträglich, Enthusiasmus, aber auch Gelassenheit entwickeln zu können. Und schließlich führt die Erfahrung, Verhaltensregeln zu erlernen, die die Werte und Ideale der eigenen Kultur widerspiegeln, zur Verankerung von Idealen und Werten, an denen sich das Leben des Individuums orientieren kann und die dem Verfolgen der Lebensziele einen Sinn geben (Kohut 1968, 1978, 1971). Alter Ego oder Verbundenheit : Ursprünglich brachte Kohut die Funktionen des Alter-Ego-Selbstobjekts mit Spiegelübertragungen in Verbindung und betrachtete sie als archaische Form jener Übertragungen. Später schrieb er ihnen einen eigenen Status zu (Kohut 1984). Die mit dem Alter Ego assoziierten Funktionen umfassen die Erfahrung einer Verbundenheit mit Anderen, die ein Gefühl von Verwandtschaft wecken kann, so dass nichts Menschliches sich fremd anfühlt. Die Erfahrung der Intaktheit des eigenen Selbst vermittelt ein Gefühl des Wohlbefindens und der Ganzheit, ohne das wir uns entmenschlicht fühlten. „Im Laufe der normalen Entwicklung schafft die Fähigkeit der Eltern, als effektive Selbstobjekte zu dienen, die Bedingungen, unter denen das Kind ihre Funktionen nach und nach verinnerlichen kann. Diese Bedingungen, zu denen auch eine durch optimale Frustration modulierte empathische Responsivität zählt, gewähren dem Kind genügend Zeit und Ressourcen, um ein kohärentes Selbst zu entwickeln, das die Individuation zu meistern vermag“ (Glassman 1988, S. 26). Selbstobjektfunktionen sind keine angeborenen psychischen Funktionen. Das Gewahrsein des Selbst weckt das Verlangen nach Anderen, die unsere Bedürfnisse befriedigen. Zufriedenstellend funktionierende Selbstobjekte vermitteln Erfahrungen, die Kohärenz und Stabilität vermitteln. Im Allgemeinen nehmen wir unsere Selbstobjekte gar nicht bewusst wahr. Narzisstische Kränkungen aber werden als Verletzung des Selbst erlebt, wenn sie nicht durch Selbstobjektfunktionen gemildert werden. Wenn Selbstobjekte uns die Befriedigung dieser Bedürfnisse versagen, können Disruption und Fragmentierung die Folge sein. Kohuts Theorie des Selbst versteht die Empathie als einen Beobachtungsmodus und als Medium, durch das die Selbstobjektfunktionen der Spiegelung, Idealisierung und Zwillingsschaft erfüllt werden (Kohut 1982). Empathie zu erleben vermittelt ein Gefühl der Selbstkohärenz. Diese Überlegungen repräsentieren eine Weiterentwicklung und Ausarbeitung seines früheren Denkens: „Empathie, die Anerkennung des Selbst im Anderen, ist ein unverzichtbares Beobachtungsinstrument, ohne das weite Bereiche des menschlichen Lebens einschließlich des Verhaltens im sozialen Feld unbegreiflich blieben. Empathie, die Einbeziehung des Anderen ins Selbst, schafft ein starkes psychisches Band zwischen Individuen. Und Empathie ist ein psychisches Stärkungsmittel, ohne das unser menschliches Leben, wie wir es kennen und schätzen, auf Dauer nicht möglich wäre.“ (Kohut 1975, S. 355)
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