Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Die emotional abgestimmte und empathische Bezugsperson erfüllt Selbstobjektfunktionen, die das Bedürfnis des Kindes nach Bestätigung, Bewunderung und Verbundenheit mit Anderen befriedigen. Kohut führt eine narzisstische Pathologie auf empathische Unzulänglichkeiten im Zusammenhing mit der Spiegelung und der Idealisierung zurück. Solche Versagungen bewirken, dass dem Selbst zuverlässige Quellen des Narzissmus fehlen. Das Ergebnis ist eine Unfähigkeit, das Selbstwertgefühl auf normaler Ebene aufrechtzuerhalten und zu regulieren. Ein defizitäres, verzerrtes oder geschwächtes Selbstgefühl ist die Folge (Kohut 1977; Goldberg 1978). Festzuhalten ist, dass Kohuts Werk einen bedeutsamen Meilenstein für die Theorie des Narzissmus wie auch für das Konzept des Selbst darstellt. Nach seinem Tod wurde die Selbstpsychologie in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Innerhalb der „traditionellen“ Kohut’schen Selbstpsychologie haben Paul Ornstein (1990, 1991, 1993) und Anna Ornstein (Ornstein und Ornstein 1980, 1985) den Beitrag, den Empathie, Selbstobjektübertragungen und narzisstische Wut zum Deutungsprozess leisten, mit Blick auf die therapeutische Wirkung weiter ausgearbeitet. Auch die Angst des Patienten vor einer Wiederholung traumatischer Enttäuschungen durch das Selbstobjekt und seine Hoffnung auf einen Neuanfang in der Behandlung wurde von ihnen untersucht. Arnold Goldberg (1995, 1999) hat das Konzept der durch Verleugnung hervorgerufenen vertikalen Spaltung auf die Untersuchung von Perversionen, narzisstischen Störungen und Verhaltensweisen angewandt, die von der anerkannten Erfahrung abgespalten sind, z.B. Binge-Eating, Cross-dressing und Untreue. auf Stolorowss Intersubjektivitätstheorie (Stolorow und Atwood 1992), entwickelte Joseph Lichtenberg eine Theorie der Motivationssysteme , die das „Selbst“ als ein erfahrendes Selbst oder als Selbstgefühl konzeptualisiert. Dieses Selbstgefühl existiert in einem komplexen Kontext aus Sensationen und Informationen, die aus dem Körper des Individuums stammen, aus den Beziehungen zu anderen Menschen, zu Gruppen und zur Kultur sowie aus der Responsivität für und Anpassung an unbelebte Gegenstände und an nicht-menschliche lebendige Andere. In der Matrix von Bindungserfahrungen geht das Selbstgefühl des Säuglings aus seiner Urheberschaft hervor – d.h. aus der Erfahrung, ein „Macher“, ein Akteur, zu sein, etwas zu tun, zu agieren, etwas aufzunehmen, etwas zu intiieren und zu reagieren. Von zentraler Bedeutung für die Intentionen und Ziele des eigenen Selbst als Urheber sind laut Lichtenberg (Lichtenberg, Lachmann und Fosshage 2011): die Suche nach einer sicheren Basis in Gefahr- und Verlustsituationen (Bowlby 1988), die Bestätigung durch spiegelnde Bezugspersonen, der Erwerb eines Gefühls der Gemeinschaftlichkeit (Zwillingsschaft) und die Bewunderung (Idealisierung) Anderer (Kohut 1984) sowie die Erfahrung, Joseph Lichtenberg Aufbauend Kohuts Selbstpsychologie und

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