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erwerben, erhalten im anschließenden Gebrauch der als Nicht-Ich erkannten Objekte Relevanz. Ihr Erwerb unterstützt das Kind bei den Anpassungen, die erforderlich sind, um die äußere, vom Selbst getrennte Realität als solche anerkennen zu können. Tustin formulierte auch eine klinische Klassifizierung des pathologischen Autismus, der auf den Abwehrmechanismen beruht, die das Kind einsetzt, um sich vor einem Scheitern der Separation von Selbst und Nicht-Selbst zu schützen. Bei „verkapselten“ Kindern ist die psychische Entwicklung blockiert, das „körperliche Selbst“ bleibt von Empfindungen abgespalten, und das Nicht-Selbst wird im Selbst verkapselt. Solche Kinder halten mithilfe der Abspaltung ihrer eigenen Empfindungen und indem sie das Nicht-Selbst (Sensationen, die im Körper der Anderen gründen, oder deren Gesten, Verhaltensweisen, Emotionen usw.) in ihr eigenes Selbst aufnehmen, an einem Verschmelzungszustand fest. Sie klammern sich an harte Gegenstände, die sich kalt und metallisch anfühlen, denn solche Empfindungen helfen ihnen, die Schale, in der sie sich verkapseln, somato-psychisch zu repräsentieren. Hingegen ist das Selbst von „verwirrten“ Kindern fragmentiert und vom Nicht- Selbst nicht unterschieden. Die psychische Entwicklung verläuft außerordentlich desorganisiert. Das Nicht-Selbst wird vom Selbst verschlungen und durch erregende Körpersensationen in ihm verkapselt. Sowohl bei verkapselten als auch bei verwirrten Kindern besteht der zentrale Kern aus dem Versuch, die Verschmelzung von Selbst und Nicht-Self beizubehalten. Das verkapselte Kind bewirkt eine Art Abspaltung/Entfremdung von den Sensationen des eigenen Körpers, während das verwirrende/verwirrte Kind von seinen Körpersensationen quasi verschluckt wird. Renata Gaddini (1977, 2004) zufolge wird das Wort „Selbst“/„self“ im Zusammenhang mit der Reifung und mit Bezug auf Entwicklungstheorien verwendet. In diesem Kontext ist das Selbst das Resultat des gesamten Körpererlebens in den ersten Lebensmonaten. Dabei handelt es sich um körperliche Sensationen, die im Laufe des Heranwachsens in einem Mentalisierungsprozess nach und nach bearbeitet werden. Langzeitstudien über die Kinderentwicklung haben gezeigt, dass das Kind von Sensationen zu Wahrnehmungen und Gefühlen, dann zu Symbolen und schließlich zu Gedanken voranschreitet. Das Übergangsobjekt ist der erste beobachtbare Schritt der frühen Symbolisierung, eine Grundlage für die Entwicklung des sekundärprozesshaften Denkens. Auf der Basis solcher Langzeitstudien konnte Gaddini illustrieren, wie die Qualität der Mutter-Baby-Interaktion die Entwicklung des körperlichen Selbst ermöglicht. Das Selbst ist tatsächlich die erste Organisation des Säuglings, der sich an eine neue Homöostase anzupassen versucht. An seiner Formierung arbeitet der Säugling schon in den allerersten Lebensmonaten. In die Organisation des Selbst gehen der Beitrag der Mutter ein, die dem Baby durch ihre Berührungen körperliche Grenzen spüren lässt, sowie der angeborene Beitrag des Babys. Dessen Selbst taucht durch das Zusammenkommen dieser beiden Beiträge auf. Aus der Gesamtheit dieser peripheren, durch den direkten Hautkontakt vermittelten Sensationen und der Wirkung seines
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