Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Aufmerksamkeit stehen. Sie tauchen für gewöhnlich im Übertragungs- Gegenübertragungserleben auf und können auch Wiederholungen spiegeln, die mit dem lebensgeschichtlichen Narrativ des Analysanden zusammenhängen. Bei dieser Ausrichtung der Aufmerksamkeit sucht der Analytiker im Hier und Jetzt nach Beziehungsmustern, erkennt und identifiziert sie. Seine Art des Zuhörens (und Erlebens) ist auf die Identifizerung bewusster oder unbewusster repetitiver Beziehungsweisen ausgerichtet, die das subjektive Erleben des Analysanden und infolgedessen auch das Interaktionsfeld beschränken. Sie können auch in gemeinsamen Enactments zutage treten oder sich entfalten und dann vom Analytiker auf eine von zwei möglichen Weisen untersucht werden: Erstens durch (An-)Erkennen einschränkender Wiederholungen, die auf Erwartungen beruhen, die sich in früheren Erfahrungen entwickelt haben (dieser Modus trifft auf historische Rekonstruktionen zu); oder zweitens als neue Erfahrung mit dem Analytiker, die durch ein neues Verständnis alter Beziehungsmuster entwicklungsfördernd und somit auch befreiend auf das interpersonale Feld wirkt. Diese analytischen Prozesse drehen sich um das Erkennen und die Anerkennung unbewusster Beziehungsmuster oder defensiver Wiederholungen im Hier und Jetzt, die die unbewusste Matrix von Übertragung und Gegenübertragung strukturieren. So erwähnt Katz (2017) z.B. eine detaillierte Erforschung der auftauchenden persönlichen Mythen des Analysanden und beschreibt, wie Analysanden ihre auf solchen persönlichen Mythen beruhenden Beziehungen zu den primären Bezugspersonen rekapitulieren. Unter Berufung auf Levenson erklärt Katz (2017): „Das interpersonale Feld wird von der ‚Krankheit‘ des Analysanden, seinen gelebten, rekursiv erzeugten Erfahrungsmustern, angesteckt.“ Das Ziel dieser Art zu intervenieren besteht darin, „das analytische Paar aus dem erkrankten Feld herauszuziehen. […] Eine Möglichkeit dazu ist eine detaillierte Erforschung der auftauchenden persönlichen Mythen und der daraus resultierenden Muster, um dem Analysanden neue Möglichkeiten zu eröffnen“ (S. 36f.). Diese Art der Bereitschaft des Analytikers rückt eine gesteuerte Aufmerksamkeitsausrichtung in den Vordergrund, die solche Muster zu identifizieren hilft. Das Erkennen und Identifizieren dieser Muster ist die Suche nach einer Passung zwischen dem Erleben im Hier und Jetzt und Wiederholungsmustern aus der Vergangenheit, die dem lebensgeschichtlichen Narrativ des Analysanden entsprechen. In ähnlicher Weise zielt ein neokleinianischer Ansatz auf das Erkennen und Deuten einer agierten inneren Objektbeziehung und der Art und Weise, wie sich unbewusste Phantasien mit einem solchen Muster verflechten. Das Herstellen von Zusammenhängen mit dem lebensgeschichtlichen Narrativ des Analysanden ist Teil der Deutungsstrategie, an der sich diese Aufmerksamkeitsrichtung und die Fähigkeit des Analytikers, die agierte innere Objektbeziehung zu erkennen, orientieren. In ähnlicher Weise finden Abwehrmechanismen Ausdruck in unbewussten Phantasien, zu denen auch Wunsch-Abwehr-Kompromissbildungen gehören (Erreich 2003). Die Aufmerksamkeit für die Abwehr und das aktive Verstehen der Kompromissbildungen des Analysanden, insbesondere der Art und Weise, wie diese mit wahrheitsgemäßen

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