Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Dazu folgendes Beispiel. Ein Patient schildert einen Traum. Ein Feldtheoretiker wäre daran interessiert, die Assoziationen des Patienten zu erweitern und das Traumfeld im „Wachtraumdenken“ im Hier und Jetzt der Sitzung zu bearbeiten. Sollten die Assoziationen einen Hinweis auf die Praxis des Analytikers enthalten, würde dieser darauf reagieren, indem er die weitere Bearbeitung unterstützt. Vielleicht befinden sich die Praxisräume in einem niedrigen Gebäudestockwerk – dies könnte tiefe Strukturen repräsentieren, das Unbewusste, ein „Hinuntertauchen“ in archaische Schichten oder ein Erkennen verschütteter Affekte. Statt diese Bilder zu deuten, um die „richtige“ Bedeutung zu finden, würde der Analytiker den Assoziationen eine Reaktion wie „Das Unbewusste ist tief“ folgen lassen. Eine solche Reaktion wird als „ungesättigt“ in dem Sinn betrachtet, als sie mehrdeutig bleibt, keine bestimmten Inhalte spezifiziert (erst recht nicht solche, die mit der Lebensgeschichte des Analysanden zusammenhängen) und es dem Patienten ermöglicht, in jede beliebige Richtung weiterzugehen. In einem anderen Beispiel spielt eine bestimmte „Requisite“, etwa ein hölzernes Paddel, eine besondere Rolle. Der Analytiker könnte lediglich den Namen der Requisite wiederholen, um weitere Assoziationen anzuregen. Der Analysand reagiert darauf vielleicht mit einer biographischen Erinnerung wie: „Meine Mutter hat mich mal verdroschen.“ Der Analytiker, dessen Aufmerksamkeit weiterhin diffus ausgerichtet bleibt, achtet auf das, was der Analysand hinzufügt, aber auch auf jede eigene Reverie. Vielleicht sinnt er über das Holz nach, aus dem das Paddel besteht, über die Härte des Griffs, und dann über die Wut des Analysanden oder auch über die Möglichkeit, dass er gar nichts empfindet. Und schließlich taucht vielleicht ein anderes Bild auf, eine Flamenco-Tänzerin mit verärgertem Gesichtsausdruck und „steifen“ Armen, die sie über den Kopf erhoben hat. Dieser Prozess setzt sich während der gesamten Sitzung fort und zielt ausdrücklich darauf, die unbewussten Assoziationen zu bearbeiten und die Fähigkeit des Analysanden, mit metaphorischen, assoziativen Bildern zu spielen, zu erweitern. Unter diesem interpersonal-relationalen Blickwinkel betrachtet, entspricht Donnel B. Sterns (2013c) Erweiterung der „relationalen Freiheit“, der Lockerung und Entspannung des interpersonalen Feldes, die die Möglichkeit schafft, dass neue Erfahrungen auftauchen, der diffusen Aufmerksamkeitsausrichtung. Allerdings geht dem neuen Verständnis einschließlich der verbalen Deutung – selbst wenn diese spontan [unbidden] erfolgt und sich als Quelle der therapeutischen Wirkung erweisen mag – in Sterns Konzipierung das Schlüsselereignis häufig voraus. III. Ac. Aufmerksamkeitsausrichtungen und Übertragungsformen Laut Celenza zeigen sich Unterschiede zwischen behandlungstechnischen Haltungen auch in den sich entwickelnden Übertragungsformen . Die Priorisierung einer gesteuerten Aufmerksamkeitsausrichtung ist in besonderem Maß geeignet, eine repetitive Übertragung, wie Freud (1916-17) sie beschrieben hat, hervorzurufen und zu erforschen. Übertragungen dieser Form entstehen durch die Projektion der primären

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