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fassen kann, muss er sich in einem besonderen, nicht einfach zu erreichenden psychischen Zustand befinden, in dem er die Regel des freien Assoziierens zu befolgen vermag. Laut Freud (1924) verpflichtet diese Grundregel „die Kranken dazu, auf alles bewusste Nachdenken zu verzichten und sich in ruhiger Konzentration der Verfolgung ihrer spontanen (ungewollten) Einfälle hinzugeben […], auch wenn sie Einwendungen dagegen verspürten, wie z.B. der Gedanke sei zu unangenehm, zu unsinnig oder zu unwichtig oder er gehöre nicht hieher“ (S. 410). Zahlreiche andere Analytiker haben ihr Verständnis der „analytischen Haltung“ in Anlehnung an Winnicotts (1965) Konzepte des Haltens und der fördernden Umwelt untersucht und weiterentwickelt (Klauber 1981; Bollas 1987; Parsons 2014). Demnach stellt sich der Analytiker dem Patienten als Objekt, das dieser „gebrauchen“ kann, zur Verfügung. In das Verständnis des analytischen Prozesses werden so auch die Übertragung/Gegenübertragung sowie die affektive Reaktion des Analytikers einbezogen (King 1978). J. Sandler (1976) formulierte das Konzept der Rollenresponsivität des Analytikers, d.h. seiner Fähigkeit, sich unbewusst mit einem inneren Objekt des Patienten zu identifizieren und sich in der Sitzung an einem Enactment zu beteiligen. Erst anschließend wird ihm bewusst, was geschehen ist, so dass er die Bedeutung, die der Patient dem Geschehen in seiner Phantasie beimisst, nun entsprechend deuten kann. In Enactments dieser Art kann auch der Körper des Analytikers einbezogen sein, etwa auf der Verhaltensebene oder in Form einer spezifischen körperlichen Reaktion. In der italienischen Psychoanalyse (z.B. Bolognini, Bonaminio, Chianese, Civitarese, Ferro) hat man in Anlehnung an Winnicott und Bion verschiedene Elemente der analytischen Haltung des Analytikers konzipiert. Das Verständnis sowohl des Gegenübertragungs- wie auch des Konstruktionskonzepts wurde erweitert. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand dabei die „Person des Analytikers“ einschließlich seines Körpers. Bolognini (2004) hat die psychoanalytische Empathie erforscht, die er mit Augenblicken einer tiefen emotionalen Verbundenheit zwischen Analytiker und Patient und einer gemeinsamen Einsicht in Verbindung bringt: „[…] eine glückliche Kombination aus Emotion, Imagination und Reflexion, die es dem Patienten und mir selbst ermöglichte, das, was geschah, ganz und gar zu begreifen“ (S. 13). Antonino Ferro (1998) hat mit seiner Beschreibung der Quadranten des Settings einen Beitrag zur Erweiterung des Konzepts geleistet. Er formulierte vier wesentliche Definitionen des Settings, die auf je unterschiedliche Bedeutungen abheben, welche zusammengenommen das Setting als Ganzes konstituieren. Der erste Quadrant besteht aus den formalen Regeln (Couch, Frequenz, Honorar etc.). Zum zweiten gehört die psychische Verfasstheit des Analytikers, die laut Ferro je nach den projektiven Identifizierungen des Patienten schwankt und eine zentrale Voraussetzung für die Entfaltung der Analyse darstellt. Der dritte Quadrant betrifft das Setting als Ziel. Verstöße gegen den Rahmen werden – vor allem im Falle schwerkranker Patienten – als Kommunikationsversuche betrachtet. Hier betont Ferro eine Perspektive, die von der traditionellen abweicht; er zieht in Betracht, dass der Verstoß gegen die Regeln kein
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