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Tabakin (2016) traf vor einigen Jahren eine Unterscheidung zwischen den Begriffen „Rahmen“ [frame] und „Setting“. Seiner Ansicht nach konnotiert „Rahmen“ in erster Linie Struktur, „Setting“ hingegen Beziehung. Die Vorstellung des Rahmens- als-Struktur dient als Orientierungshilfe, um ein gegen diese Struktur gerichtetes Agieren zu beurteilen und zu deuten. Anders als der Rahmen impliziert das Setting die Atmosphäre, welche die potentiell verändernde Wirkung der Behandlung definiert. Das Setting erzählt den gemeinsamen Raum von Analytiker und Analysand, der zu einem dynamischen, zwischen beiden Beteiligten ablaufenden Entwicklungsprozess wird. Unabhängig von diesen Entwicklungen wurde das Konzept des Settings/Rahmens im frankophonen Quebec, wo drei psychoanalytische Kulturen aufeinandertreffen, weiter ausgearbeitet. Im Vordergrund steht die natürliche Affinität zur französischen Analyse, doch auch alle drei Schulen der britischen Psychoanalyse sowie einige der wesentlichen Entwicklungen, die die amerikanische psychoanalytische Landschaft veränderten, haben ihre Einflüsse geltend gemacht. Was das Setting betrifft, so lag die Identifizierungsoption für die frankophone psychoanalytische Community in Quebec auf der Hand: Sie hatte sich bewusst sowohl vom medizinischen Modell als auch vom Eitingon-Modell distanziert und sich ausdrücklich in Opposition zu den „kanonischen“ Zwängen definiert, die für viele US- amerikanische Analytiker ausschlaggebende Bedeutung besitzen. Während für wichtige Segmente der amerikanischen Theoriebildung ein Bedürfnis nach ikonoklastischer Selbstbehauptung charakteristisch ist, förderte Lacans Erbe eine geistige Freiheit, die im Geist einer tiefen Auseinandersetzung mit Freuds Werk und seiner Erweiterung Ausdruck fand. Sowohl André Greens Arbeit über die Funktion des Rahmens als „ein Drittes“ und als Unterstützung der Fähigkeit des Patienten, ein gemeinsames „analytisches Objekt“ zu bilden (Green 1975), als auch Jean Laplanches (1997, S. 662) Konzept einer „hohlförmigen“ Übertragung – mobilisiert durch die relative Nicht-Reaktivität des Analytikers, die wiederum die Möglichkeit reaktiviert, für die Rätsel der Kindheit neue Lösungen zu finden – sind spätere Beispiele. Scarfone (2010) hat die Überlegungen zur Qualität des analytischen Zuhörens mit seinem Konzept der „Passibilität“ weiter ausgearbeitet. Eine weitere starke Strömung in der französischen Psychoanalyse, die ihren Einfluss in Quebec entfalten konnte, war die Erforschung nicht-klassischer Elemente des Settings als Unterstützung der psychischen Repräsentation und Subjektivierung vor allem in den infra-neurotischen Bereichen: Françoise Dolto (1982, 1985) führte die symbolische Bezahlung in die Kinderanalyse ein, während Cahn (2002), Roussillon (2013), Donnet (1995) und andere die metapsychologische Funktion der visuellen Wahrnehmung des Analytikers bei der analytischen Arbeit mit Blickkontakt, ohne Benutzung der Couch, untersuchen. Aus der psychoanalytischen Praxis in Frankreich und in Quebec sind zudem Neuerungen des „Rahmenkonzepts“ hervorgegangen. Sie erfolgten insbesondere unter den drei Blickwinkeln des Evaluationsprozesses (Kestemberg 2012; Donnet und M’Uzan 2012; Lasvergnas 2012; Reid 2014), der Zahlung durch Dritte (Kestemberg 1985, 1986) und schließlich der alternativen
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