Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Die THEORIE DER KOMMUNIKATION von David Liberman Tri-Regionaler Eintrag Interregionales Editorial Board: Samuel Arbiser (Lateinamerika), Arne Jemstedt (Europa), Eva D. Papiasvili (Nordamerika)

Interregionaler Koordinierender Co-Chair: Elias M. da Rocha Barros (Lateinamerika)

I. EINLEITUNG UND EINLEITENDE DEFINITION

Im weitesten Sinn verstanden, stellt David Liebermans Kommunikationstheorie eine komplexe, objektivierende, empirisch gestützte systematische Neuformulierung der Psychopathologie dar, die aus einer multidimensionalen Beurteilung der Kommunikations- und Interaktionsaspekte der psychoanalytischen klinischen Praxis resultiert. In diesem komplexen System wird Psychopathologie als eine Störung des Kommunikationsprozesses, die zu einem Anpassungsdefizit führt, neu formuliert. Hierbei dienen der Austausch und Dialog zwischen dem Patienten und dem Behandler als empirische Grundlage der psychoanalytischen Forschung wie auch als Diagnoseinstrument. Als Urheber der Theorie der Kommunikation zählt David Liberman zu den originärsten Autoren der fruchtbaren “psychosozialen Richtung” der argentinischen Psychoanalyse, die von Enrique Pichon Rivière angeführt wurde (Arbiser 2017). Das Hauptmerkmal dieser Strömung war die multidisziplinäre und pluralistische Position ihrer Repräsentanten. In diesem Kontext gelangte Liberman zu einer innovativen methodologischen Entscheidung: Er betrachtete den “analytischen Dialog als Ausgangspunkt, um die Evolution der psychoanalytischen Sitzung und des psychoanalytischen Prozesses zu untersuchen und zu beurteilen, und verstand die Art und Weise, wie sich beide Mitglieder eines solchen Dialogs einbringen, als empirische Basis”. Seine Beiträge konstituieren eine systematische Untersuchung der klinischen Praxis an sich. Liberman ging es darum, den wissenschaftlichen Charakter der Psychoanalyse zu untermauern, wie er im ersten Kapitel seines frühen, wegweisenden Buches La Communicación en la Terapéutica Psicoanalítica („Die Kommunikation in der psychoanalytischen Therapie“) unter der Überschrift “Wissenschaft, Forschung und Theorien in der Psychoanalyse” ausdrücklich darlegte (Liberman 1962). Das heißt, er entwickelte deskriptive und erklärende Formulierungssysteme, denen er die systematische Erforschung des hochkomplexen Feldes menschlichen Verhaltens zugrunde legte. Wie die Tabellen (unten) zeigen, benutzte er Jürgen Rueschs Formulierungen (Ruesch & Bateson 1951), die damals hochaktuell waren. Um aber

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