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psychoanalytische Konzepte, die damals, in den 1960er Jahren in Lateinamerika en vogue waren, anwenden zu können, setzte er diese Formulierungen zu analytischen Grundbegriffen wie “unbewusste Phantasien” und “primäre Ängste” sowie zu den “Abwehrmechanismen” (Klein 1952) in Beziehung, die in der analytischen Situation unter dem Einfluss der Übertragungs-Gegenübertragungsbeziehung auftauchen.
II. ENTWICKLUNG DES KONZEPTS
Es sei daran erinnert, dass Liberman, bevor er seine Kommunikationstheorie entwickelte, in seiner Dissertation bereits die Richtung seiner theoretischen Interessen angedeutet hatte. Er veröffentlichte diese Arbeit 1947 unter dem Titel Semiología Psicosomática („Psychosomatische Semiologie“) . Dies war seine erste Buchveröffentlichung. Libermans Verwendung der Theorie der Kommunikation war lediglich ein weiterer Schritt in seinem konsequenten Bemühen um eine Systematisierung der psychoanalytischen klinischen Arbeit mit dem Ziel, die Realität der Analytiker-Patient- Situation auf möglichst objektive Weise und unter Berücksichtigung der Einzigartigkeit beider Mitglieder des therapeutischen Paares zu erörtern. An diese Theorie der Kommunikation schloss sich seine Beschäftigung mit der Semiotik, einer ihrer Erweiterungen, an. Unter der Semiotik versteht man die wissenschaftliche Erforschung der allgemeinen Grundsätze, denen das Funktionieren von Zeichen- und Kodierungssystemen gehorcht, und die Beschreibung ihrer Typologie (Prieto 1973; vgl. auch Morris 1946). Diese Disziplin lieferte ihm das konzeptuelle Instrumentarium für die Schlussfolgerung, dass menschliche Kommunikation nicht nur über den verbalen Kanal (den “syntaktischen Bereich”) erfolgt, sondern dass wir uns auch der Möglichkeit von “Missverständnissen” der Kommunikation bewusst bleiben müssen, die zum “semantischen Bereich” sowie zum “pragmatischen Bereich” gehören. Nur so können wir die Botschaften, die vorwiegend über den behavioralen Kanal gesendet werden, dekodieren. Als “syntaktischen Bereich” bezeichnet man die syntagmatische Beziehung zwischen Zeichen, als “semantischen Bereich” die Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat und als “pragmatischen Bereich” die Beziehung zwischen dem Benutzer und dem Code (Watzlawick et al. 1967). Anders formuliert: Information wird in “Päckchen” vermittelt, die je unterschiedliche Amalgame der drei semiotischen Bereiche enthalten. Abhängig von den dominanten Elementen und den Entstellungen, die sie aufweisen, unterschied Liberman zwischen drei Kategorien von Patienten: 1) “Patienten mit vorwiegend syntaktischen Entstellungen”; sie entsprechen annähernd den “neurotischen” Patienten der klassischen Psychopathologie; 2) “Patienten mit vorwiegend semantischen Entstellungen”; sie machen einen großen Bereich jener Klientel aus, die von der klassischen Psychopathologie als “narzisstisch” bezeichnet wird; und 3) “Patienten mit vorwiegend pragmatischen Entstellungen”, zu denen er die psychopathischen Störungen, Perversionen und Suchterkrankungen der klassischen
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