Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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TRANSFORMATION(EN) Tri-regionaler Eintrag Interregionales Editorial Board: Arnaldo Chuster (Lateinamerika), Barnet D. Malin (Nordamerika) and Rudi Vermote (Europa)

Interregionaler Co-Chair: Felipe Muller Beraterin: Eva D. Papiasvili, Chair, IRED

I. EINFÜHRUNG UND EINFÜHRENDE DEFINITION(EN)

Mit seinem epistemologischen Modell der Transformationen hat Wilfred R. Bion sein Grundmodell psychischer Veränderung auf die höchste Abstraktionsebene gehoben. Diesem Modell gemäß erfolgt psychische Veränderung durch rekursive psychische Transformationsprozesse, die zu psychischem Wachstum und psychischer Entwicklung führen. Alle paradigmatischen und epistemologischen Themen, die Bion zuvor in “Eine Theorie des Denkens” (2013 [1962]) angeschnitten hatte, werden in Lernen durch Erfahrung (1990 [1962]) und Elemente der Psychoanalyse (1992 [1963]) entfaltet und zu einer tiefen, beispiellosen Reflexion über Transformationen zusammengeführt. Bion hatte seine Theorie der Transformationen 1963 in einem Vortrag im British Psychoanalytical Institute dargelegt, bevor er sie 1965 in seinem dritten Buch Transformations publizierte. Der intensive, komplexe Dialog mit verschiedenen Disziplinen des Denkens macht dieses Buch zu einem der schwierigsten Werke Bions und zu einer Herausforderung für den Leser. Mit dem klinischen Ziel, psychotische Patienten zu verstehen und zu behandeln, konstruierte Bion ein Modell dessen, was er als das „Denken“ von Sinneswahrnehmungen, emotionalem Erleben und Gedanken bezeichnete (Bion 2013 [1962], 1990 [1962]). Im Zuge seiner weiteren Erforschung des Denkprozesses gelangte er zur Formulierung psychoanalytischer „Elemente“ – ganz ähnlich wie Euklid beim Studium geometrischer Elemente und Newton beim Studiem der Physik (Bion 1992 [1963]). Die in seinem Buch Elemente der Psychoanalyse aufgeführten Elemente umfassen Konzepte wie PS↔D, L (Liebe), H (Hass), K (Knowledge, Wissen) usw. Diese Raster-Elemente, die Bion in Transformationen weiter ausarbeitete und erklärte, denotieren die genetische Entwicklung des Denkens auf der Y-Achse und die Funktion oder Verwendung des Gedankens auf der X-Achse. Angeregt durch die Suche der Positivisten nach dem Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Aussagen wollte Bion die Psychoanalyse als eine prädiktive, den sogenannten harten Wissenschaften nicht unähnliche Disziplin konzipieren.

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