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der besseren Orientierung dienen als auch in die Irre führen kann. In den Diskussionen, die mit der wachsenden des Gegenübertragungskonzepts einhergingen, nimmt Winnicotts Beitrag „Hate in the counter-transference“ eine wichtige eigenständige Position ein. 1949 veröffentlicht, deutet er auf Heimanns Ausführungen voraus und etabliert Winnicott als einen Denker, der einen zentralen Beitrag zur Konzeptualisierung der Gegenübertragung leistete. Dies gilt vor allem für seine Beschreibung der mutativen und notwendigen Rolle der Aggression als Aspekt der Gegenübertragung. Winnicotts Beiträge „Aggression in Relation to Emotional Development“ (1950) und „Hate in the Counter-Transference“ (1949) haben die Unvermeidlichkeit und klinische Nützlichkeit der Aggression und des Hasses seitens des Analytikers zum Thema. Der Hass ist laut Winnicott kein Gegensatz zur Liebe und zur primären Mütterlichkeit, sondern ihr Begleiter . Er setzt Grenzen und ist der Separation sowie der Fähigkeit des Analysanden zuträglich, zwischen Phantasie und Realität zu unterscheiden und sein gefährliches Omnipotenzerleben zu verringern. Mithin trägt der Hass des Analytikers einschließlich des der Beendigung der Sitzung inhärenten Hasses maßgeblich zu Veränderungen des Analysanden bei. Betonung Winnicott unterscheidet zwischen (1) Gegenübertragungsgefühlen, die der Verdrängung unterliegen und möglicherweise einer weiteren Selbstanalyse des Analytikers bedürfen (hierbei handelt es sich um idiosynkratische Identifizierungen und Strebungen des Analytikers), und (2) „der genuin objektiven Gegenübertragung, […] der Liebe des Analytikers und seines Hasses in Reaktion auf die durch objektive Beobachtung wahrgenommene reale Persönlichkeit und das Verhalten des Patienten“ (1949 S. 69f.). Die Formulierung „genuin objektive Gegenübertragung“ bezeichnet Gefühle des Analytikers gegenüber dem Patienten, die seine eigenen Gefühle sind und nicht – wie Heimann es später beschrieb – aus Projektionen des Patienten in den Analytiker resultieren. Diese Gefühle sind also Reaktionen auf das Verhalten des Patienten: persönliche Reflexionen seiner „objektiven“ Art zu sein. Manchmal ist es laut Winnicott notwendig, dem Patienten diese Gefühle mitzuteilen – indem der Analytiker sich zu ihnen bekennt und/oder sie deutet –, damit die Analyse voranschreiten kann. Diese Auffassung unterscheidet sich ebenso wie Heimanns Sichtweise vom Konzept der „projektiven Identifizierung“, die innerhalb des klassischen kleinianischen Bezugsrahmens als allgegenwärtiger Mechanismus die Gesamtheit der Patient- Analytiker-Beziehung beeinflusst. Heimanns und Winnicotts Arbeit wirft einen langen Schatten auf die dritte Gruppe in England, die sogenannte „Unabhängige Gruppe“ (die sich sowohl von der Gruppe der damaligen Freudianer als auch von den Kleinianern abgrenzte); dieser Schatten reicht von Little (1981), die sehr eingehend die Übertragungsformen des Hasses und die blockierte Lebendigkeit erforscht hat, bis zu Bollas (1983), der eine umsichtige Abstimmung der Gegenübertragung als Träger der verleugneten Anteile des Analytikers befürwortet. Insgesamt gesehen sind in England zwei auseinanderdriftende
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