Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Phänomene durch einen unbewussten sexuellen Konflikt charakterisiert, den die sexuelle Energie nährt und mit sexuellen Bedeutungen füllt. Man kann die verschiedenen Phasen (“Schritte”), in denen Freud seine Triebtheorie entwickelte, entsprechend den drei unterschiedlichen Klassifizierungen des Triebs gegeneinander abgrenzen.

III. Aa. Entstehung der ersten Triebtheorie

III. Aaa. Erste Phase / Stufe / erster “Schritt”: von 1905 bis 1914 Sobald Freud 1894 das Konzept der Libido als psychische sexuelle Erregung eingeführt hatte, wurde eine grobe Skizzierung des Sexualtriebs erforderlich, um sich die “Vorstellung vom Mechanismus der Angstneurose klarer [zu] machen” (Freud 1895b [1894], S. 334). Der Sexualtrieb war zunächst Teil der Konzeptebene und bezeichnete eine relativ kontinuierliche Phasen- und Lokalisationsveränderung, welche die Energie der organischen Sexualprozesse in psychische sexuelle Energie oder Libido verwandelt. Der Begriff Sexualtrieb bezeichnet diese Umwandlung und ihre Dynamik; er ist der konzeptuelle Referent der Libido. Freud (1905a) hat die Theorie des Triebes zuerst im Rahmen der Beschreibung der Sexualtriebe in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie eingeführt, nachdem er zuvor, und zwar vorwiegend im Kontext von Energiekonzipierungen, Begriffe, die dem des Triebes ähnelten, verwendet hatte, etwa “endogene Erregung” (1895b [1894], S. 338) oder “Wunschregungen” (1900a, passim). In den Drei Abhandlungen , in denen er die psychoanalytische Theorie der unbewussten Sexualität einführte, den Leib-Seele- Dualismus verwarf und die radikalen Hypothesen der Ergänzungsreihen und einer Kontinuität von Krankheit und Gesundheit formulierte, postulierte er auch die frühe Version der ersten Triebtheorie in Form der beiden grundlegenden Motivationskräfte “Sexualtrieb” und “Selbsterhaltungstriebe”. Der Sexualtrieb strebt nach erotischer Lust und steht im Dienste des Überlebens der Art, während die Selbsterhaltungstriebe nach Sicherheit und Wachstum streben und dem Überleben des Individuums dienen. So schreibt er: “Unter einem ‘Trieb’ können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschiede vom ‘Reiz’, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung des Seelischen vom Körperlichen . Die einfachste und nächstliegende Annahme über die Natur der Triebe wäre, daß sie an sich keine Qualität besitzen, sondern nur als Maße von Arbeitsanforderung für das Seelenleben in Betracht kommen. Was die Triebe voneinander unterscheidet und mit spezifischen Eigenschaften ausstattet, ist deren Beziehung zu ihren somatischen Quellen und ihren Zielen. Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ

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