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und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung dieses Organreizes.” (1905a, S. 67, Hervorhebg. ergänzt) Freud charakterisierte die Triebe in erster Linie mit Blick auf ihre somatischen Quellen , ihr Ziel , nämlich das Streben nach Befriedigung durch Linderung oder Aufhebung der Spannung, und ihr Objekt (eine imaginierte oder reale Person bzw. ein Körperteil). Dabei ist das Objekt, durch das der Trieb befriedigt wird, der variabelste Faktor. Hier hat Freud auch seinen Begriff der Libido als sexuelle Energie der Sexualtriebe expliziter definiert und zahlreiche Komponenten des Sexualtriebs bzw. partielle Triebe beschrieben. Bestehend aus verschiedenen Partialtrieben , etwa den aktiven/passiven oder skopophilen/exhibitionistischen und scheinbar perversen Elementen, die in die erwachsene Sexualität integriert werden, entfaltet sich die infantile Sexualität in einer festen Abfolge neurobiologisch determinierter Phasen, nämlich der oralen, der analen, der phallischen und der ödipalen. Jede dieser Phasen oder Stufen wird durch erogene Zonen organisiert, d.h. durch Körperzonen, die in diesem Lebensabschnitt stärker als andere zu libidinöser Stimulation oder Erregung oder libidinöser Besetzung tendieren. Die Partialtriebe des Sexualtriebs werden mitsamt ihren Quellen in den erogenen Zonen später synthetisiert. Charakteristisch für jede Phase sind auch spezifische Phantasien, Konflikte und die Art und Weise, mit Anderen zu interagieren. Diese können lebenslang erhalten bleiben und Charakteraspekte oder Psychopathologie prägen. Die psychosexuelle Entwicklung verläuft in einem zweiphasigen Muster und ist geprägt durch die Verdrängung der ödipalen Konflikte, die eine Phase der Latenz einleitet, die mit der Pubertät endet. Die polymorph-perversen Regungen des Kindes werden in den frühen Stufen durch autoerotische Aktivität befriedigt. In dieser Phase seiner Theoriebildung erläuterte Freud die am psychischen Konflikt beteiligten, aus den Trieben resultierenden “Vorstellungen” und “Wünsche”. Der Konflikt zwischen den Sexualtrieben und den Selbsterhaltungs- oder Ich-Trieben wird mit dem Konflikt zwischen den bewussten und den unbewussten psychischen Vorgängen in eins gesetzt. Die Ich-Triebe werden mit dem Bewussten gleichgesetzt und konstituieren die Kraft, welche die im Unbewussten wurzelnden Sexualtriebe verdrängt. In der frühen Theorie der unbewussten Sexualität von 1905 war der Sexualtrieb primär. Die Destruktivität war in Form des Sadismus in ihm enthalten und entsprach “einer selbständig gewordenen, übertriebenen, durch Verschiebung an die Hauptstelle gerückten aggressiven Komponente des Sexualtriebes” (Freud 1905a, S. 57). Die Grausamkeit, mit der sich das Subjekt sein Objekt unterwirft, wird unter diesen Umständen zur einzigen Bedingung der Befriedigung. Die mit dem Sexualtrieb gemischte Aggression wäre dann “ein Rest kannibalischer Gelüste” (ebd., S. 58). Die selbständigen Quellen der mit der Bemächtigung zusammenhängenden Grausamkeit wurden erst nach und nach als Teil der Selbsterhaltungstriebe anerkannt. In den Jahren zwischen 1905 und 1910 war die Triebtheorie noch nicht als eine dualistische
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