Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Die klare Formulierung der Antithese zwischen dem Sexualtrieb und dem Selbst- oder Ich-Erhaltungstrieb taucht 1910 in “Die psychogene Sehstörung in psychoanalytischer Auffassung” auf sowie 1911 in “Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia” (Freud 1910i, 1911c). In “Die psychogene Sehstörung in psychoanalytischer Auffassung” benutzt Freud (1910i) den Begriff “Ich-Triebe” erstmals ausdrücklich zur Bezeichnung der Selbsterhaltungstriebe, denen er hier eine entscheidende Rolle für die Funktion der Verdrängung zuschreibt. In “Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia” erklärt er: “Wir […] nehmen die populäre Unterscheidung von Ichtrieben und Sexualtrieb an, die uns mit der biologischen Doppelstellung des Einzelwesens, welche seine eigene Erhaltung wie die der Gattung anstrebt, übereinzustimmen scheint” (1911c, S. 311). III. Aab. Zweite Phase / Periode / zweiter “Schritt”: 1914 – 1920 In dieser Phase der Entwicklung der Triebtheorie rückt der Objekt begriff in den Vordergrund. In der ersten Phase war die Aggression als Komponente aller Triebe betrachtet worden. In der zweiten Phase wird sie mit Blick auf die Subjekt-Objekt- Beziehungen, die Beziehung zwischen Ich und äußerer Realität sowie zwischen Lust und Unlust und zudem hinsichtlich der Liebes- und Hassgefühle, die durch solche Beziehungen erzeugt werden, untersucht. In “Zur Einführung des Narzissmus” , einer formalen Darlegung der Libidotheorie, beschreibt Freud (1914c) eine neue Kategorisierung der Triebe : Ich- Libido / narzisstische Libido (auf das Ich oder Selbst gerichtete Libido) steht der Objektlibido (mit der Objekte besetzt werden) entgegen, während die Ich-Triebe als libidinöse Triebe verstanden werden . Die Unterscheidung zwischen Sexual- und Ich-Trieben wird zwar nicht aufgehoben, aber mit der Einführung des Narzissmuskonzepts wird die Libido zu einem Element, das beiden gemeinsam ist. Allerdings gewinnt das Ich an diesem Punkt der Freud’schen Theoriebildung an Komplexität: Abgesehen von der libidinösen Komponente der Ich-Triebe wird eine nicht-libidinöse beschrieben, die Freud als “Interesse” bezeichnet und die im Einklang mit den Selbsterhaltungstrieben steht. Die Schrift gilt als ein wichtiger Vorläufer der späteren Freud’schen und postfreudianischen Strukturtheorie (zweite Topik) sowie der Objektbeziehungstheorie. Freuds umfassendste Formulierung seines Triebkonzepts findet sich in “ Triebe und Triebschicksale ” (1915c). Hier wird der Trieb definiert “als ein Grenzbegriff zwischen Seelischem und Somatischem, als psychischer Repräsentant der aus dem Körperinnern stammenden, in die Seele gelangenden Reize, als ein Maß der Arbeitsanforderung, die dem Seelischen infolge seines Zusammenhanges mit dem Körperlichen auferlegt ist” (S. 214). Im Einklang mit dem Lustprinzip strebt der

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