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darstellt, ein „Drittes“, wie Ogden (1994b) es bezeichnet. In Argentinien wurde die lebhafte Diskussion über Metapsychologie und klinische Theorie zum Thema gegenübertragungsbedingter projektiv-introjektiver Austauschvorgänge (einschließlich Dramatisierungen und Enactments) durch Leon Grinbergs (1956) Konzeptualisierung einer projektiven Gegenidentifizierung zusätzlich bereichert. Während der Einsatz des Mechanismus der projektiven Identifizierung im Kontext der Gegenübertragung laut Racker und Heimann, wenngleich unterschiedlich konzeptualisiert, die identifikatorische Reaktion des Analytikers auf bestimmte innere Objekte oder Selbstanteile des Patienten darstellt, fokussierte Grinberg auf die archaischen Kommunikationsaspekte des projektiven/introjektiven Austausches ; diese Richtung wurde später von Bion aufgegriffen. Grinberg (1956) vertrat zunächst die Ansicht, dass die projektive Gegenidentifizierung sich eines „ Kurzschlusses “ in der Kommunikation des analytischen Paares bediene. Er vermutete, dass der Patient bestimmte Aspekte seiner selbst mit solch großer projektiver Wucht in die Psyche des Analytikers „hineinverlege“, dass dieser sie als passiver Empfänger ganz real und konkret assimiliert, wodurch sie zu einem Teil seiner selbst werden (S. 508). Im Zusammenhang mit dem Agieren schreibt Grinberg (1968): „Der Analytiker, der dem Einfluss der pathologischen projektiven Identifizierungen des Patienten nachgibt, reagiert auf sie womöglich so, als ob er sich die in ihn hineinprojizierten Aspekte (die inneren Objekte oder Selbstanteile des Patienten) tatsächlich zu eigen gemacht hätte. Der Analytiker fühlt sich passiv ‚hineingezogen‘ in die Rolle , die ihm der Patient, wenngleich unbewusst, buchstäblich ‚aufgezwungen‘ hat. Ich habe diese spezifische Art der Gegenübertragungsreaktion als ‚projektive Gegenidentifizierung‘ bezeichnet“ (S. 172; Hervorhebung ergänzt). Verglichen mit Rackers komplementärer Gegenübertragung, bei der die emotionale Reaktion des Analytikers auf seinen eigenen Ängsten und Konflikten beruht und der Analytiker sich mit inneren Objekten identifiziert, die denjenigen des Analysanden ähneln, verstand Grinberg die Reaktion des Analytikers als relativ unabhängig von dessen eigenen Konflikten. Grinbergs Verdienst war es zu betonen, dass das Unbewusste des Analytikers selbst nicht primär involviert ist und dass infolgedessen seine Introspektion nicht ausreicht, um sofort Zugang zu den Quellen einer solchen projektiven Gegenidentifizierung zu finden. Grinberg betonte ein Phänomen, das man Jahre später als die Irreduzierbarkeit des „ Mikro-Agierens “ der Gegenübertragung bezeichnete und als Zwischenstation auf dem Weg des Analytikers zur Einsichtnahme in die archaischen Anteile der Psyche des Patienten verstand. Um die gesamte Textur des übertragenen Objekts kennenzulernen, muss der Analytiker den Weg über diese Station nehmen (Grinberg 1982). Grinbergs (1956) Beitrag bestand darin zu erkennen, dass die unbewusste Intentionalität des Analysanden Spuren in der Psyche des Analytikers hinterlässt, und zwar durch die projektive Identifizierung, die man nun nicht länger als eine
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