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In Die Traumdeutung beschreibt Freud (1900a) Symbolisierung als eine Verkleidungsmethode, mittels deren der Primärvorgang die eigentlichen (unannehmbaren) Traumgedanken und -wünsche in den manifesten Traum verwandelt. Freud hat das Kapitel über die Symbolisierung im Traum häufiger als alle anderen Teile der Traumdeutung bearbeitet und erweitert. Die erste Auflage enthielt eine Kritik an älteren Methoden der Traumauslegung, die sich auf „fixierte Symbolbedeutungen“ (S. 363) stützten, erkannte aber durchaus auch Ähnlichkeiten mit seinen eigenen, individualisierten Deutungen an, die unter Berücksichtigung der freien Assoziationen des Träumenden die individuelle Bedeutung herausarbeiten. Gleichzeitig erkennt Freud auch die wichtige Rolle der bildlichen Darstellungen an (S. 346), die ohne Assoziationen verständlich sind. Er verweist auf die Existenz „typischer Träume“, in denen ein Konflikt oder ein Wunsch ungeachtet des individuellen Träumenden auf ganz ähnliche Weise Ausdruck finden. Insbesondere das Kapitel „Typische Träume“ wurde zwischen 1900 und 1911 wiederholt erweitert, und zahlreiche dieser Zusätze gingen später, 1914, unter der Kapitelüberschrift „Die Darstellung durch Symbole im Traume – Weitere typische Träume“ in die 4. Auflage der Traumdeutung ein. Somit erkannte Freud sowohl die Universalität als auch die individuelle Spezifität unbewusster Symbolik an: Im Zusammenhang mit dem Aspekt der Universalität hatte er betont, dass es häufig weder Assoziationen zu Symbolen gebe noch solche Assoziationen für die analytische Deutung symbolischer Äußerungen erforderlich seien. Träume und Phantasien verwenden Symbole, die im unbewussten Denken aufgrund ihrer Darstellbarkeit und weil sie die Zensur erfolgreich unterlaufen bereits präsent sind. Abgesehen von ihrem universalen Charakter verweisen auch die Mehrdeutigkeit und die Überdeterminiertheit der unbewussten Symbolik auf mögliche multiple Bedeutungen symbolischer Darstellungen. Schon 1902 erklärte Freud in der 2. Auflage der Traumdeutung : „Diese Symbolik gehört nicht dem Traume zu eigen an, sondern dem unbewußten Vorstellen, speziell des Volkes, und ist im Folklore, in den Mythen, Sagen, Redensarten, in der Spruchweisheit und in den umlaufenden Witzen eines Volkes vollständiger als im Traume aufzufinden“ (S. 356). Und in der 4. Auflage von 1914 heißt es in dem Kapitel „Die Darstellung der Symbole durch Träume“, dass viele Symbole relativ „fixierte“ Bedeutungen aufwiesen und aufgrund ihrer geringen individuellen und kulturellen Variabilität nahezu universal seien. Sie werden nicht gebildet, sondern sind von vornherein vorhanden. Sie wurzeln in der archaischen (individuellen und phylogenetischen) Vergangenheit. Hier erweitert Freud auch das vorangegangene Zitat aus der 2. Auflage von 1909 und erklärt, dass Symbole nicht nur in Träumen, sondern auch in Mythen, in Folklore und Religion zu finden seien. Seine Erläuterung der Wichtigkeit sowohl der universalen als auch der individuell spezifischen Symbole und ihrer potentiell multiplen Bedeutung in der Traumdeutung bleibt in allen Auflagen erhalten, doch er warnt davor, „etwa die Arbeit
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