Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Verdrängung abgewehrten Themen Sexualität und Tod weisen kann. Als er einem Freund zu helfen versuchte, zu ergründen, weshalb er ein bestimmtes Wort vergessen hatte, und sich auf diese Weise an das vergessene Wort zu erinnern, führte er die Methode quasi informell ein: „Ich muß Sie nur bitten, mir aufrichtig und kritiklos alles mitzuteilen, was Ihnen einfällt, wenn Sie ohne bestimmte Absicht Ihre Aufmerksamkeit auf das vergessene Wort richten” (S. 14). Dieselbe Aufforderung richtete er an Patienten, die er analysierte. Indem Freud die unbewussten Dimensionen der “Psychopathologie des Alltagslebens” erforschte, z.B. Versprecher, (bewusst) nicht beabsichtigte widerspruchsvolle Aussagen, das Vergessen der Namen von Personen, Orten oder Gegenständen usw., erklärte er die Motive, die sich hinter diesen Phänomenen verbargen: “Es ist wohl unverkennbar, wie nahe die Rücksichtnahme auf die ‘vagierenden’ Sprachbilder, die unter der Schwelle des Bewußtseins stehen und nicht zum Gesprochenwerden bestimmt sind, und die Forderung, sich zu erkundigen, an was der Sprecher alles gedacht habe, an die Verhältnisse bei unseren ‘Analysen’ herankommen” (S. 66). Zwei Jahre später schreibt Freud (1904a [1903]) in der dritten Person, dass die “Freudsche psychoanalytische Methode” in Loewenfelds Buch über Zwangserscheinungen aufgenommen werde. Seine Beschreibung der neuen Technik wirft Licht auf die Bedeutsamkeit der Veränderung, die die Einführung der freien Assoziation für die Psychoanalyse bedeutete: “Die Abänderungen, welche Freud an dem kathartischen Verfahren Breuers vornahm, waren zunächst Änderungen der Technik; diese brachten aber neue Ergebnisse und haben in weiterer Folge zu einer andersartigen, wiewohl der früheren nicht widersprechenden Auffassung der therapeutischen Arbeit genötigt.“ (S. 4) Freud lässt die Beschäftigung mit dem Symptom fortan in den Hintergrund treten und ermutigt die Patientin zu sprechen. Er überlässt ihr die Wahl des Themas und setzt folglich an jeder Oberfläche an, die das Unbewusste offenbart. Daher kann die neue Methode bei einer beträchtlichen Anzahl von Patienten zur Anwendung gelangen. Allerdings ging mit dem Verzicht auf die Hypnose das erweiterte Bewusstsein, das die vergessenen Erinnerungen auftauchen lässt, verloren. Aber Freud (1904a [1903]) fand einen „völlig ausreichenden Ersatz […] in den Einfällen der Kranken, das heißt in den ungewollten, meist als störend empfundenen und darum unter gewöhnlichen Verhältnissen beseitigten Gedanken, die den Zusammenhang einer beabsichtigten Darstellung zu durchkreuzen pflegen.” (S. 5) Freud erläutert [wie schon erwähnt, schreibt er in diesem Text über sich selbst in der dritten Person] auch, wie er seine an den Patienten gerichtete Aufforderung, im Sinne dieser Methode zu kooperieren, formuliert: “Um sich dieser Einfälle zu bemächtigen, fordert er die Kranken auf, sich in ihren Mitteilungen gehen zu lassen, ‚wie man es etwa in einem Gespräche tut, bei welchem man aus dem Hundertsten in das Tausendste gerät.‘ Er schärft ihnen,

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