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ohne um ihn zu wissen. Ja noch mehr, daß der Träumer nicht einmal Lust hat, diesen Vergleich anzuerkennen, nachdem er ihm vorgeführt worden ist.“ (S. 153f.) In Jenseits des Lustprinzips beschrieb (Freud 1920g) das Garnrollenspiel seines 18 Monate alten Enkels als Beispiel für eine frühe Symbolisierung sowie als Versuch, einen komplexen psychischen Zustand zu bewältigen. Diese (proto-)symbolische spielerische Inszenierung, die das Verschwinden und die Rückkehr der Mutter des Kindes symbolisierte, erfolgte in einer frühen Phase des Spracherwerbs, der Bildung psychischer Repräsentationen und der Symbolbildung. Freud schreibt: „Das Kind hatte eine Holzspule, die mit einem Bindfaden umwickelt war. Es fiel ihm nie ein, sie zum Beispiel am Boden hinter sich herzuziehen, also Wagen mit ihr zu spielen, sondern es warf die am Faden gehaltene Spule mit großem Geschick über den Rand seines verhängten Bettchens, so daß sie darin verschwand, sagte dazu sein bedeutungsvolles o—o—o—o [fort] und zog dann die Spule am Faden wieder aus dem Bett heraus, begrüßte aber deren Erscheinen jetzt mit einem freudigen ‚Da‘. Das war also das komplette Spiel, Verschwinden und Wiederkommen“ (S. 12). In einer sehr frühen Studie, die den Spiegel mit der Selbst-Objekt-Differenzierung und der Identitätsbildung in Verbindung bringt, beschreibt Freud auch, wie sich der kleine Junge selbst zum Protagonisten des Spiels machte, indem er sein Spiegelbild kontrolliert verschwinden und wiederauftauchen ließ und das Verschwinden verbal mit der Äußerung „Baby o-o-o-o“ begleitete (S. 13, Fn. 1). Die Komplexität von Freuds Beobachtungen und Überlegungen bezüglich des „Spiels“ des Kleinkindes kann als Beschreibung dreier miteinander zusammenhängender Formen des Spielens im Alter von eineinhalb Jahren betrachtet werden: Spiel mit einem Spielzeug, Spiel mit Spiegelbildern und phonetisches Spiel mit Lauten, die Freud als antithetische Sprachsymbole verstand. So gesehen, weisen Freuds Bemerkungen über das symbolische Spiel mit dem Spiegel auf die Konzepte der Identität und Individuation im Kontext des frühkindlichen Narzissmus und der frühen Objektbeziehungen voraus. Dazu Blum (1978): „Die Mutter wird in dem Spiel [mit der Holzspule] nicht bewusst symbolisiert, aber das Spielzeug kann im Einklang mit dem Auftauchen des symbolischen Spiels während der Separation-Individuation als ein Symbol der Mutter betrachtet werden. Das Symbol selbst wird zu einer psychischen ‚Anwesenheit‘, die das Verdrängte ersetzt. Man kann die von Freud beschriebene dualistische Antithese von Anwesenheit und Abwesenheit auch mit dem primären Objekt und dem Selbst im Dreierspiel mit Spielzeug, Spiegel und Wörtern in Verbindung bringen“ (Blum 1978, S. 462f.). In ähnlichem Zusammenhang konzeptualisierten spätere Theoretiker (Neubauer 1987, 1990, 2000; Piaget 1936; Lacan 1966; Winnicott 1953; Modell 1970) auf je unterschiedliche Weise Beispiele für jene – nicht in erster Linie für Kommunikationszwecke bestimmte – Form der Verständigung und Kommunikation, die sich – sofern alles gut geht – zwischen Mutter und Kind entwickelt und die symbolische Repräsentation, später dann auch die Verbalisierung, komplexer innerer Zustände unterstützt.
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