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Obgleich Freud (1900a, S. 356) einräumte, dass manche Personen über ein direktes Symbolverständnis verfügen, betonte er in „Traum und Telepathie“ (1922a) erneut, dass die Symbolik der Phantasie universal und frei sei von Konvention oder sozial definierter Regulation: „Die Sprache der Symbolik kennt, wie Sie wissen, keine Grammatik, sie ist das Extrem einer Infinitivsprache, auch das Aktivum und das Passivum werden durch dasselbe Bild dargestellt“ (S. 182). Gleichzeitig weisen die Mehrdeutigkeit und Überdeterminierung der unbewussten Symbolik darauf hin, dass Symbole zahlreiche individualisierte Bedeutungen haben können. In Der Mann Moses und die monotheistische Religion postuliert Freud (1939a) ein phylogenetisches Erbe in Form von Urphantasien, die auch als symbolische Repräsentation der Ursprünge verstanden werden können, d.h. Urszene (Ursprung des Subjekts), Verführung (Ursprung des Auftauchens der Sexualität) und Kastration (Ursprung des Geschlechterunterschiedes). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Freud den Symbolisierungsprozess als Träger verborgener Bedeutungen verstand. Etwas Anstößiges, Unannehmbares, wird durch etwas weniger Anstößiges ersetzt. Die Symbolik ermöglicht es, dass anstößige Ideen überleben, indem sie unbewusst bleiben. II. Aa. Weitere regional spezifische Interpretationen von Freuds Sichtweisen der Symbolik Während die allgemeine Entwicklung der Freud’schen Überlegungen zur Symbolik in allen Regionen im oben skizzierten Sinn betrachtet wird, wurden weitere regional spezifische Interpretationen formuliert, die Licht auf miteinander verflochtene, aber unterschiedliche Wege zu weiteren regional spezifischen Ausarbeitungen des Konzepts werfen. II. Aaa. „ Niederschriften“ und „Spuren“ bei Freud (Europäische Perspektive) Der Begriff "Symbolik" bezeichnet die Verwendung von Symbolen zu Ausdruckszwecken. Er stammt aus der Terminologie der Kunstgeschichte und -theorie, wo er „Schulen“ und kreative Hervorbringungen bezeichnet, denen die Verwendung von Symbolen zugrunde liegt. In der Psychoanalyse hängt er vorwiegend mit der Überlegung zusammen, dass Träume zur Bildung psychischer Vorstellungen oder Repräsentationen in der „Traumsymbolik“ Symbole benutzen. Das bedeutet, dass der Traum durch „typische“ soziale Symbole zum Beispiel sexuelle Inhalte, die auf diese Weise evoziert und maskiert werden, darstellt. Der Begriff „Symbolisierung“ bezeichnet einen psychischen Prozess, der zwei psychische Erfahrungsniederschriften oder – spuren miteinander verbindet, einen Prozess der Transformation und Verschiebung von einer Spur in eine andere. Verstehbar wird er nur durch eine Theorie der Niederschrift von Spuren subjektiver
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