Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Bions Verwendung mathematischer Modelle betrifft, so berücksichtigt diese Sichtweise, dass eine Transformation in vielen Bereichen der Mathematik lediglich eine Funktion sein kann, unabhängig von Domäne und Kodomäne. Mannigfaltige theoretische und klinische Ausarbeitungen dieses Ansatzes einer „weiter gefassten“ Definition in Bezug auf die von psychoanalytischen Funktionen durchgeführte Kombination von Elementen, wie Bion (1997 [1965]) sie beschrieben hat, sowie ihre modernen Entwicklungen werden im lateinamerikanischen Teil, unten, ausgeführt. In Europa hält The Edinburgh International Encyclopedia of Psychoanalysis (Skelton 2006) fest, dass die innere Rekonfiguration (Transformation) für Bions Werk von zentraler Bedeutung war und Bion psychoanalytische Theorien als Transformationsgruppen betrachtete. Da eine Transformation eine Veränderung der Form ist, ist sie für Bion als Psychoanalytiker eine Veränderung intrapsychischer Formen von der Realisierung zur Repräsentation: Gerade so, wie ein Maler die Landschaft (die Realisierung) in ein Gemälde transformiert (repräsentiert), transformiert die Arbeit des Psychoanalytikers die Fakten psychoanalytischer Erfahrung (die Realisation) in eine Interpretation (die Repräsentation). The International Dictionary of Psychoanalysis (Mijola 2002/2005) enthält den von dem Nordamerikaner James Grotstein, einem Bion-Schüler, verfassten Eintrag „Transformation“. Grotstein schreibt: „Bion versteht unter psychoanalytischen Transformationen den Versuch des Psychoanalytikers, dem Analysanden zu helfen, denjenigen Teil emotionaler Erfahrung, der ihm nicht bewusst ist, in eine bewusste emotionale Erfahrung zu transformieren. Hier verändert die Transformation die Form, nicht jedoch die fundamentale Natur des invarianten Aspekts der emotionalen Erfahrung“ (S. 1790f.). Eine bemerkenswerte Perspektive auf Bions Transformations , die für seine Entwicklung seiner Beobachtungsmethode relevant ist, ergibt sich aus der Erforschung des psychoanalytischen Objekts, das jeder Transformation unterliegt (Vermote 2011, 2013, 2019); mehr dazu im europäischen Abschnitt. Dass zwischen Transformation und Invarianzen eine inhärente Beziehung besteht, wird auf beiden Seiten des Atlantiks anerkannt (Sandler 2005, S. 156,192). Bion (1997 [1965]) erklärt dieselbe am Beispiel des Bildes, das ein Maler von einem Mohnblumenfeld malt: „Wir können erkennen“, so schreibt er, „daß dieses jenes darstellt. Deswegen nehme ich an, daß trotz der Unterschiede zwischen einem Mohnfeld und einem Stück Leinwand – trotz der Transformation, die der Künstler an dem vorgenommen hat, was er sah, um es in die Form eines Bildes zu bringen – irgend etwas unverändert geblieben ist. Von diesem Irgendetwas nun hängt das Wiedererkennen ab“ (S. 21). Dieser unveränderte Aspekt der Transformation ist ihre „Invariante“. In ähnlicher Weise deutet der Analytiker Symptome, Träume etc. als Transformationen der Invarianten des Patienten.

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