Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Klein, die der Freud’schen ökonomischen Theorie der psychischen Energie nicht streng verpflichtet war, sah im Spiel der Kinder zwar auch eine muskuläre Energieabfuhr, erkannte aber insbesondere, dass sein Symbolwert nicht geringer war als derjenige der Wörter. Das heißt, sie betrachtete die Phantasie nicht als Alternative zu körperlicher Aktivität, sondern als parallele Aktivität. Ihrer Auffassung nach wurde die körperliche Abfuhr durch Aktion durch die Phantasie aktiviert. Sie verstand das Spiel als symbolischen Ausdruck zugrundeliegender unbewusster Konflikte, Wünsche und Phantasien. Klein interessierte sich vorrangig für intellektuelle Hemmungen im Kindesalter, die sie als Hemmungen der Symbolisierungsfähigkeit infolge der durch Aggression erzeugten Angst- und Schuldgefühle betrachtete. Angst und Schuldgefühle führen demnach zu einer Verschiebung des Wisstriebs auf andere Objekte und verleihen der Welt eine symbolische Bedeutung. In ihrem letzten Beitrag zu diesem Thema, „Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung“, beschreibt sie Dick, einen vierjährigen Jungen mit Autismus, der wenig bzw. gar keine Angst vor und Interesse an der Außenwelt zeigte – abgesehen von Türknöpfen, Zügen und Bahnhöfen. Klein erkannte, dass ihr kleiner Patient durch seine aggressiven Angriffe auf den mütterlichen Körper und dessen Inhalte (Brust, Babys und der Penis des Vaters) in Angst versetzt wurde und deshalb gegen diese phantasierten Attacken starke Abwehrmechanismen errichtet hatte: „Das Übermaß des Sadismus löst Angst aus und setzt die frühesten Methoden der Abwehr seitens des Ichs in Gang. […] In der Relation zum eigenen Sadismus bedeutet diese Abwehr ein Hinausdrängen , in der Relation zum Objekt dessen Vernichtung “ (Klein 1995 [1930], S. 352). Das Objekt wird durch den Sadismus zerstört und daraufhin vom Ich als potenzieller Verfolger wahrgenommen, dessen Rache das Ich fürchtet. Hemmungen der Symbolisierungsfähigkeit treten auf, wenn primitivere, auf Spaltung, Fragmentierung und projektiver Identifizierung beruhende Abwehrmechanismen zum Einsatz gelangen. Dies geschieht z.B. im Kontext von Entwicklungsdefiziten, Traumata und psychotischen oder narzisstischen Lösungen. Klein brachte die Fähigkeit zur Symbolbildung mit der Anerkennung der Realität (insbesondere der Getrenntheit des Objekts) in der depressiven Position in Verbindung. Schwierigkeiten, depressive Angst zu tolerieren, hängen mit der Anerkennung sowohl der destruktiven (hasserfüllten) als auch der liebevollen Impulse gegenüber dem Objekt sowie mit dessen Komplexität zusammen – es wird weder idealisiert noch verachtet, ist weder ausschließlich gut noch ausschließlich böse. Dieses Objekt, von dem das Baby abhängig ist, konfrontiert es mit eigenen Bedürfnissen und Vulnerabilitäten. Die Aufrechterhaltung der defensiven Spaltung zur Abwehr paranoider Ängste sowie manische Abwehrmechanismen stehen einer Symbolbildung im eigentlichen Sinn im Wege. Omnipotente Abwehrmechanismen kommen zum Einsatz, wo Nuancierungen verloren gehen und die Phantasie mit der Realität in eins gesetzt wird. Insgesamt gesehen, verstand Klein Symbole als Repräsentationen der unbewussten Phantasie in Form von Abkömmlingen des Unbewussten. Sie betrachtete die Fähigkeit, unbewusste

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