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Er erläuterte, dass die Entwicklung des Erinnerungsbildes vom abwesenden Liebesobjekt dem Kind die Bewältigung seiner widersprüchlichen Wünsche nach Autonomie einerseits und Nähe zur Mutter andererseits erleichtert (Pine 1971, 1974). Indem es das Bild der Mutter in sich trägt, kann das Kind sie bei sich haben, ohne seine Autonomie aufzuopfern. In „T he Development of Ego Apparatus and Drive” hat Pine (1983) die integralen funktionalen Beziehungen zwischen Denkprozessen, Affekten und Trieben beschrieben: „Unsere Triebe – unsere Bedürfnisse und Strebungen – müssen die Ausdrucksform annehmen, die durch Empfang, Niederschrift und Wiederabruf des Stimulus und durch die repräsentationalen Eigenschaften unseres kognitiven Apparates ermöglicht werden“ (S. 243). IV. Ae. Hans Loewald Revision: Interaktion als Quelle der Triebe Ebenso wie Jacobson führte Loewald (1978) die psychische Struktur der Triebe und des Es auf die Interaktion des Säuglings mit seiner menschen Umgebung (Mutter) zurück und identifizierte die Interaktion als den entscheidenden Aspekt der Internalisierung subjektiver Repräsentanzen des Selbst und anderer Menschen. Er ging noch einen Schritt weiter, indem er von dem reifizierten Verständnis der psychischen Instanzen, der Abwehr und der inter-/intrasystemischen Konflikte Abstand nahm und stattdessen die Beschaffenheit der Interaktion mit der (menschlichen) Umgebung, ihre Rolle „für die Bildung, die Entwicklung und die bleibende Integrität des psychischen Apparats“ (Loewald 1986 [1960], S. 209), ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte. Interaktion ist laut Loewald (1960, 1971a, 1978) nicht lediglich die Quelle der Triebe, sondern ein zentraler Aspekt unbewusster Prozesse . Diese Betonung der Interaktion als Grundbaustein der Psyche war für Loewalds Theorie des Unbewussten maßgebend, die sich auf die adaptiven und genetischen Aspekte der Freud’schen Metapsychologie stützte und diese zugleich erheblich modifizierte, das Struktur- bzw. topische Modell jedoch weitgehend unberücksichtigt ließ. Loewald war überzeugt, dass „wir während einer Analyse Möglichkeiten [haben], sowohl primitivere als auch fortschrittenere Interaktionsprozesse, das heißt Interaktionen zwischen Analytiker und Patient, zu beobachten und zu untersuchen, die zu Ich-Integration und -Zersetzung führen oder Schritte auf dem Wege dorthin sind“ (1986 [1960), S. 211). Laut Loewald hatte Freud zwei unterschiedliche Sichtweisen der Triebe vertreten. Vor 1920 hatte er postuliert, dass dieTriebe nach Energieabfuhr streben. Mit der Einführung seines Eros-Konzepts in Jenseits des Lustprinzips nahm Freud 1920 eine radikale Veränderung seiner Triebdefinition vor – statt nach Abfuhr suchen die Triebe nun nach Verbindung, „indem sie ihre Objekte nicht zur Befriedigung benutzen, sondern um komplexere psychische Erfahrugnen zu entwickeln und die verlorene ursprüngliche Einheit zwischen Selbst und Anderen wiederherzustellen“ (Mitchell und Black 1995, S. 190).
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