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Loewalds Revision der Freud’schen Triebtheorie setzte indes eine radikale Neuformulierung von Freuds traditionellen psychoanalytischen Konzepten voraus. War das Es für Freud eine biologisch verwurzelte, mit der sozialen Realität kollidierende Kraft, so wird es bei Loewald zu einem Interaktionsprodukt der Anpassung; die Psyche ist nicht länger sekundär, sondern von Natur aus interaktiv. Loewald nahm an, dass in einem anfänglichen einheitlichen, aus dem Baby und seinen Bezugspersonen bestehenden Ganzen zwischen Selbst und Anderem, Ich und äußerer Realität oder Trieben und Objekten nicht unterschieden werde. So schrieb er: „ Triebe, als psychische Triebkräfte verstanden, werden als solche durch Interaktionen innerhalb eines ursprünglich aus der (psychischen) Mutter-Kind-Einheit bestehenden psychischen Feldes organisiert“ (Loewald 1986 [1971], S. 109). Aussagen wie diese haben Französisch sprechende Analytiker in Kanada veranlasst, in Loewald, der sich selbst als Ich-Psychologe verstand, ein Beispiel für das unten beschriebene „Dritte Modell“ zu sehen. Auch folgende Aussage Loewalds resoniert mit dem zeitgenössischen französischen analytischen Denken beidseits des Atlantiks: „In dieser Perspektive stehen die Triebe ebenso primär in Beziehung zu ‚Objekten‘, zur Außenwelt, wie das Ich. […] Mit anderen Worten, Triebe organisieren die Umwelt nicht weniger und werden von ihr nicht weniger organisiert, als dies für das Ich und seine Realität zutrifft. Diese wechselseitige Organisation führt zur unentwirrbaren Verbundenheit von ‚Innen- und Außenwelt‘“ (Loewald 1986 [1960], S. 225). (Siehe auch die Einträge OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN, INTERSUBJEKTIVITÄT, ICH- PSYCHOLOGIE.] IV. B. METAPSYCHOLOGISCHE MODIFIZIERUNG: CHARLES BRENNER UND DIE KONFLIKTTHEORIE Jacob Arlow und Charles Brenner (1976 [1964]) legten mit Grundbegriffe der Psychoanalyse: die Entwicklung von der topographischen zur strukturellen Theorie der psychischen Systeme eine radikale Rekonstruktion der Konzepte des Unbewussten und der Triebe vor. Zum entscheidenden Faktor der Entwicklung des Konflikts zwischen Ich und Es und der Fähigkeit des Ichs, sich den Trieben zu widersetzen, wurde die Angst. Arlow und Brenner (1969 [1969]) postulierten ein Überwiegen der präödipalen Konflikte und des Aggressionstriebs bei Psychosen und behaupteten, dass der psychotische Patient ein besonderes Bedürfnis habe, das Objekt vor seiner eigenen Aggression zu schützen. Dies kann seine Beziehung zu äußeren Objekten und zur Umwelt gravierend beeinträchtigen. In „Defense and defense mechanisms“ ergänzte Brenner (1981) Freuds Definition des Ichs in Bezug auf die Triebe und erklärte, dass das Ich derjenige Teil der Psyche sei, der mit der Umwelt umgehe, um ein Maximum an Befriedigung für die Triebabkömmlinge zu erlangen. Das Ich ist ausführendes Organ der Triebe. In der
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