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Sprache der Strukturtheorie formuliert, ist das Ich ausführendes Organ des Es. Die Kontrolle der Triebabkömmlinge und der Widerstand gegen sie setzen schon früh im Leben ein. In der Kindheit wird der eine oder andere Triebabkömmling unweigerlich mit Affekten assoziiert, die als so unlustvoll empfunden werden, dass die Abwehr aktiviert wird. „Unlust und Konflikt in Verbindung mit Triebabkömmlingen sind nicht lediglich Missgeschicke, die sich vermeiden lassen, wenn die Eltern genügend liebevoll, gewissenhaft und klug sind. […] Die Kalamitäten der Kindheit sind Teil des Menschheitsschicksals“ (Brenner 1981, S. 568). Die Funktion der Abwehr besteht in der Reduzierung der durch einen Triebabkömmling oder durch Aspekte der Über-Ich-Aktivität hervorgerufenen Unlust. 1982 nahm Brenner eine Neuformulierung des Über-Ichs als Cluster aus Kompromissbildungen vor, an dessen Aufbau sowohl Libido als auch Aggression vorrangig beteiligt sind. Um den zentralen Stellenwert der Kompromissbildung und der Triebe im psychischen Leben zu illustrieren, schreibt Brenner (1991): „Alles im psychischen Leben […] ist eine Kompromissbildung. […] eine Kombination aus der Befriedigung von Triebabkömmlingen (einem in der Kindheit wurzelnden Triebwunsch), der Unlust in Form von Angst- und depressivem Affekt in Verbindung mit dem Triebabkömmling, den Abwehrmechanismen, die Unlust minimieren […], und der Über-Ich-Aktivität (in Form von Schuldgefühlen, Selbstbestrafung, Widergutmachung usw.)“ (S. 39f.). Darüber hinaus postuliert Brenner das Prinzip der Austauschbarkeit psychischer Elemente als moderne Version von Waelders (1930, 1936) Prinzip der multiplen Funktionen, das gleichfalls eine Neuformulierung des Freud’schen Prinzips der Überdeterminiertheit war. Das zeitgenössische Prinzip der Austauschbarkeit psychischer Elemente besagt, dass alles in den Dienst der Triebe gestellt, zur Abwehr benutzt und zur Selbstbestrafung eingesetzt werden kann. In “Aspects of psychoanalytic theory: Drives, defense, and the pleasure- unpleasure principle” rückt Brenner (2008) die infantile Sexualität in den Kontext seiner revidierten freudianischen Triebtheorie und schreibt dem „Lust-Unlust-Prinzip“ zentrale Bedeutung zu: „Die Psyche wird durch ein Bedürfnis, einen Wunsch oder eine Tendenz zur Suche nach Lust und zur Vermeidung von Unlust angeregt (= Lust-Unlust- Prinzip). Von überragender Bedeutung ist dabei die Frage, ob ein Wunsch lustvoll oder aber unlustvoll ist. Wie Beobachtungen gezeigt haben, gibt es Wünsche, die beides sind. In einem bestimmten Alter, in sehr früher Kindheit und künftig durchgehend, ist sowohl normales als auch pathologisches psychisches Geschehen weitgehend durch beide, gemeinsam aktive Bedürftnisse motiviert. Der modernen Konflikttheorie zufolge (Brenner 2006) decken die beteiligten Wünsche den gesamten Bereich der infantilen Sexualität ab; die damit einhergehenden Katastrophen umfassen den gesamten Bereich unlustvoller Affekte, ganz gleich, wie diese im je individuellen Fall aussehen mögen; und die Abwehrmechanismen umfassen alles, was die Psyche im Dienst einer Reduzierung der unlustvollen Affekte aufzubieten vermag“ (Brenner 2008, S. 716). Und weiter heißt es: „Aggressive Wünsche sind gleichermaßen sexuelle wie libidinöse.
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