Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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(Hinshelwood 2018). Bions verfasst vor, während und unmittelbar nach Abschluss seiner psychoanalytischen Ausbildung umfangreiche Publikationen über das unbewusste Funktionieren von Gruppen (Mawson 2014), in denen er das Konzept der „Grundannahmen“ als unbewusste Abwehrmechanismen, durch die sich die Gruppe vor emotionalem Schmerz/Unlust in Arbeitssituationen schützt, postulierte (Bion 1952, V, S. 205-245). Zwischen 1950 und 1959 verfasste Bion sieben psychoanalytische Beiträge, von denen iInsbesondere drei bereits Ursprünge seiner Theorie des Denkens, des Container- Contained-Konzepts und der Funktionen enthalten, die seine Theorie der Transformationen direkt beeinflusst haben. „Zur Unterscheidung zwischen psychotischer und nicht-psychotischer Persönlichkeit“ (Bion 2013 [1957]) enthält die Formulierung „Das-was-Verbindet“ („that-which-links“ und „that-which-joins“) als Bezeichnung unbewusster mentaler Funktionen. In „Über Arroganz“ (Bion 2013 [1957]) und „Angriffe auf Verbindungen (2013 [1959]) postuliert Bion, dass Emotionen und emotionale Erfahrungen bewusste und unbewusste Verbindungsfunktionen erfüllen und als solche für psychisches Wachstum und Weiterentwicklung von wesentlicher Bedeutung sind. Diese drei Artikel markieren zudem eine wichtige Veränderung von Bions Art und Weise, psychoanalytische Phänomene zu beobachten, die für die etliche Jahre später erfolgende Entwicklung der Theorie der Transformationen entscheidend war. Die folgende Passage aus „Angriffe auf Verbindungen“ bringt diese Veränderung auf den Punkt: „Die einer anatomischen Struktur analoge Konzeption von Teilobjekten, die darauf zurückzuführen ist, dass der Patient konkrete Bilder als Denkeinheiten benutzt, ist irreführend, weil die Teilobjekt-Beziehung nicht nur zu den anatomischen Strukturen, sondern zur Funktion besteht, nicht zur Anatomie, sondern zur Physiologie, nicht zur Brust, sondern zum Stillen, Vergiften, Liebe, Hassen.“ (Bion 2013 [1959], S. 115) Zusammenfassend können wir festhalten: Mentale, durch Emotionen und emotionale Erfahrungen unterhaltene Funktionen und Prozesse wurden zu Objekten der psychoanalytischen Beobachtung; mit seiner Theorie der Transformationen arbeitete er ein Modell ihres in ständigem Werden begriffenen Charakters aus. Die Theorie des Denkens ging Bions Modell der Transformationen voraus. Er legte sie 1962 in dem Artikel „The psycho-analytic study of thinking“, 1967 unter dem Titel „A theory of thinking“ – „Eine Theorie des Denkens“ (2013 [1962]) - erschienen, und in seinem ersten Buch Learning from Experience , Lernen durch Erfahrung (1990 [1962]), dar. Seine Theorie des Denkens postuliert ein Entwicklungsschema, demzufolge die Psyche ihre Denkprozesse entwickelt, um Emotionen zu modulieren. Mit den Buchstaben L, H und K bezeichnete er die Art der emotionalen Verbindung: L steht für love, H für hate und K für knowledge. In Lernen durch Erfahrung führt Bion auch seine Theorie der Funktionen ein (Kap. 1 und ff.). Diese Untersuchungen werden in seinem zweiten Buch, Elemente der Psychoanalyse (Bion 1992 [1963]) fortgeführt.

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