Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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für „die gesamte Operation, die den Vorgang der Transformation und das Endprodukt einschließt“ (ebd.). — Bion wählte den Begriff „Invariante“ zur Bezeichnung der Essenz oder der Eigenschaften der Gesamtsituation O, die während der Transformationen der emotionalen Erfahrungen des Malers, Tα, bis zum fertiggestellten Gemälde, Tβ, konstant bleiben. — Die Invariante ist für die mathematische Repräsentation von Transformationen - O → Tα → Tβ – unerlässlich, auch wenn Bion ihr kein eigenes Zeichen zugewiesen hat. — Bion wählt den mathematischen Begriff „Realisierung“ zur Bezeichnung der realen Tatsache der gesamten Ursprungssituation und kennzeichnet mit ihm eine Form von O. In dem genannten Beispiel umfasst die Realisierung diesen spezifischen Maler, der sich in diesem spezifischen Augenblick in seinem spezifischen psychischen Zustand in diesem spezifischen Mohnblumenfeld befindet; aus dem unendlichen Bestand an möglichen Malern, Augenblicken und Orten, aus dem ein Gemälde hervorgeht, wurden diese spezifischen Umstände realisiert oder haben aus einem unendlichen Bestand an Möglichkeiten eine Realisierung gebildet. Bion entlehnte den Begriff „Realisierung“ (auch „Realisation“) der Geometrie. In der psychoanalytischen Arbeit repräsentiert eine Realisierung häufig einen emotionalen Seinszustand. — Bion wählt den Begriff „konstante Verbindung“, den er bei Hume fand, zur Bezeichnung fester Korrelationen zwischen Elementen; konstante Verbindungen haben die Funktion, die Organisation zuvor beobachteter Elemente oder Daten intakt zu halten. „Bindung“ bezeichnet den Prozess, in dem sich die neue konstante Verbindung herausbildet, während „Konstellation“ den gesamten Prozess bezeichnet. — Das Konzept der „ausgewählten Tatsache“ übernahm Bion von Poincaré. Die ausgewählte Tatsache ist das Stück beobachteter Daten, das zum Organisator eines zuvor unorganisierten Datenfeldes wird. Sowohl ausgewählte Tatsachen als auch konstante Verbindungen organisieren Daten gemäß den Eigenschaften der Invariante.

Sandler (2005, S. 22, 25) weist darauf hin, dass Bions Konzept mentaler Transformationen das Transduktionskonzept aus der physikalischen Welt widerspiegelt, dem zufolge der Inhalt der Daten konstant bleibt, während sich ihre Form verändert. Betrachten wir z.B. die Audioaufzeichnung eines gesungenen Liedes. Das Mikrophon wandelt die durch die Luft übertragenen Klangwellen in elektrische

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