Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Impulse um. Diese Impulse werden in einen weiteren Umwandler (transducer) eingespeist, ein Gerät, das sie in digitale Daten umwandelt. Diese Serie setzt sich durch die finalen Transduktionen der Vibrationen der Lautsprechermembran in die durch die Luft übertragenen Schallwellen fort. In diesem Beispiel repräsentiert O die Gesamtsituation, in der jemand das Lied singt; Inhalt der Daten ist „das Lied“, und dieses ist die Invariante. Tα repräsentiert all die Transduktionen der Form, Tβ den durch die Luft übertragenen, von den Lautsprechermembranen produzierten Klang. Umwandler sind „Geräte, die konstante Verbindungen erzeugen“, da sie die Invariante (das Lied) bewahren, während sie die Form, in der es übertragen wird, verändern. All diese Transduktionen sind identifizierbar, weil sie in der physikalischen Welt existieren, was auf den nicht-physikalischen Bereich der psychischen Welt nicht zutrifft. Bion hat die fundamentale Theorie der Transformationen, dargestellt durch O → Tα → Tβ, nicht verändert, und sich stattdessen auf die detaillierte Untersuchung der einzelnen Bestandteile konzentriert. Dies erwies sich indes augenblicklich als außergewöhnlich komplexes Unterfangen. O → Tα → Tβ kann einen allumfassenden Transformationsprozess kennzeichnen, aber auch einen Prozess unzähliger, scheinbar unendlicher Transformationen, die den Gesamtprozess bilden, wie es bei dem Lied und bei dem Gemälde der Fall ist. Im psychoanalytischen Setting bleibt dieser unvorstellbar komplex, denn hier betrifft Tα die unsagbare emotionale Erfahrung und die nicht- sensorische psychische Realität. Transformationen ergeben sich direkt aus vorangegangenen Zyklen und sind daher naturgemäß rekursiv. Mithilfe des Modells können wir uns vorstellen, dass van Goghs Erfahrung im Weizenfeld aus unzähligen simultanen, rekursiven Zyklen emotional gesättigter Transformationen unvorstellbarer Komplexität hervorging, die irgendwie ein rätselhaftes, singuläres, transzendentes Ölgemälde entstehen ließen. Analog dazu dient es als Modell, in dem das ungeformte Erleben eines Patienten aus unzähligen rekursiven Transformationszyklen hervorgeht, unbewusste psychische Prozesse erzeugt und schließlich Erleben und Symptome. Einmal mehr bietet sich Bions Theorie der Transformationen als Modell an, das demonstriert, wie sich die Psyche entwickelt, und nicht, warum sich die Psyche so entwickelt hat, wie es der Fall ist. II. Da. Das Zeichen „O“ Das komplexeste Element in Bions Transformationstheorie ist das Zeichen O. Als er es einführte, verglich Bion (1997 [1965]) es direkt mit Kants „Ding an sich“ (S. 35). O kann demnach nicht direkt wahrgenommen werden. Selbst nicht-psychische Sinneswahrnehmungen werden vom Gehirn wahrgenommen und können deshalb nicht direkt mit Kants Ding an sich in Verbindung gebracht werden. Wahrnehmung kann lediglich eine intuitive Ahnung, eine Andeutung dessen, was über sie hinausreicht, vermitteln. O kennzeichnet ein Blumenfeld an sich, ohne Verbindung zur Anwesenheit oder zum Erleben eines Menschen. Die Frage, wie eine von menschlicher Wahrnehmung getrennte Realität zu erfassen sei, ist seit Jahrtausenden ein zentrales

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