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bedenkenlos nach Motivationskonzepten wie Instinkt, Trieb, Libido, Kraft, Besetzung und Energie, so als handelte es sich um kausal wirksame Entitäten (Holt 1989, S. 179). Holt sprach sich dafür aus, den Trieb durch den Wunsch zu ersetzen. Mit dieser Veränderung würden wir seiner Ansicht nach auf tragfähigen wissenschaftlichen Boden zurückkehren und wären dann in der Lage, zu der Welt, von der die Psychoanalyse umgeben ist, in Beziehung zu treten: „Der Trieb ist tot – lang lebe der Wunsch“, schreibt er (Holt 1989, S. 196). Es könnte interessant sein, Holts anti- metapsychologische binäre Perspektive „Wunsch oder Trieb“ mit Brenners Perspektive, seiner „metapsychologischen Modifizierung“ des Wunsches „als Triebabkömmling“, zu vergleichen. (Für weitere nuancierte Kritik der psychoanalytischen Metapsychologie siehe die Einträge INTERSUBJEKTIVITÄT, DAS UNBEWUSSTE und ICH-PSYCHOLOGIE).
IV. F. BEISPIELE FÜR ZEITGENÖSSISCHE UND NEU ENTSTEHENDE ENTWICKLUNGEN
IV. Fa. Trieb und Affekte – revidiert und neuformuliert Die Beziehung zwischen Trieben und Affekten bleibt innerhalb bestimmter Stränge des nordamerikanischen psychoanalytischen Denkens umstritten . Im Folgenden werden zwei Sichtweisen näher erläutert.
IV.
Faa.
Otto
Kernberg
–
zeitgenössische
nordamerikanische
Objektbeziehungstheorie Als die Objektbeziehungen stärker ins Zentrum des Interesses rückten, gab es Bemühungen, die Ich-Psychologie bzw. Strukturtheorie und objektbeziehungstheoretisches Denken zu integrieren. Kernberg (1982, 2015a) beschrieb einen präödipalen unbewussten intrapsychischen Konflikt zwischen internalisierten, widersprüchlichen Einheiten der Selbst- und Objektrepräsentanzen und ihren jeweiligen Affekt- bzw. Triebdispositionen , den er als charakteristisch für Borderline-Patienten betrachtete. Diese Konzipierung versteht die Affekte, die nach und nach zu Trieben integriert werden, als primäres (unbewusstes) Motivationssystem. In seinem Aufsatz „Self, ego, affects and drives” formulierte Kernberg (1982) die Modifizierung der späten dualen Triebtheorie im Kontext der Beziehung zwischen Ich und Selbst, früher Entwicklung und Strukturbildung und konzipierte die Affekte als ein primäres Motivationssystem. Sie stehen im Zentrum jeder einzelnen der unendlichen Vielzahl an befriedigenden und frustrierenden konkreten Erfahrungen, die der Säugling mit seiner Umwelt macht. Affekte verbinden undifferenzierte Selbst- Objekt-Repräsentanzen miteinander, so dass nach und nach eine komplexe Welt internalisierter Objektbeziehungen – teils lustvoller, teils unlustvoller Natur –
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