Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Winnicotts Konzept der Übergangsphänomene , für das sowohl der Übergangsraum als auch das Übergangsobjekt eine wichtige Rolle spielen, ist für das Verständnis des Symbolisierungsprozesses unverzichtbar. Es hängt darüber hinaus aufs engste mit den Konzepten des subjektiven Objekts und des objektiven Objekts zusammen, die gleichfalls eine fundamentale Rolle in diesem Prozess spielen. So schreibt Winnicott (1983 [1953]): “Es trifft zu, daß das Stück Wolldecke (oder was immer es sein mag) symbolisch für ein Teilobjekt wie z.B. die Brust steht. Trotzdem ist das Wichtige an ihm nicht so sehr sein Symbolwert, sondern vielmehr seine Aktualität. Daß es nicht die Brust (oder die Mutter) ist, ist ebenso wichtig wie die Tatsache, daß es die Brust (oder die Mutter) vertritt. Wenn das Kind sich eines Symbols bedient, unterscheidet es bereits deutlich zwischen Phantasie und Tatsache, zwischen inneren Objekten und äußeren Objekten, zwischen primärer Kreativität und Wahrnehmung. Aber der Ausdruck ‚Übergangsobjekt‘, wie ich ihn verstehe, schafft freien Raum für den Prozeß des Erwerbs der Fähigkeit, Unterschiede und Ähnlichkeiten zu akzeptieren. Ich glaube, wir sollten nach einem Ausdruck für die Wurzel der Symbolik in der Zeit suchen, einen Ausdruck, der den Weg des Kindes vom rein Subjektiven zur Objektivität beschreibt, und mir scheint, daß das, was wir von diesem Weg des Fortschritts in Richtung auf das Erleben sehen, eben das Übergangsobjekt (ein Stück Wolldecke usw.) ist. […] Es scheint so, als ob man die Symbolik nur im Rahmen des Wachstumsprozesses eines Individuums richtig untersuchen kann und daß sie bestenfalls eine variable Bedeutung hat.“ (S. 306f.) In „Playing and Culture“ schreibt Winnicott (1971 [1968]), dass Symbole „gleichzeitig für Phänomene der äußeren Welt und für die Phänomene der individuellen Person stehen“ (S. 147). Er unterstreicht die Bedeutung des intermediären Bereiches/Raumes mit folgenden Worten: „[…] dieser intermediäre Bereich ist weder Traum noch Beziehung. Während er weder das eine noch das andere ist, ist er gleichzeitig beides“ (Winnicott 1971, S. 204). Malcolm Bowie (2000) erläuterte in einem Vortrag in der Squiggle Foundation: “Wenn Winnicotts potenzieller Raum auf die primitive psychische Verfassung zurückverweist, deutet er doch auch auf die Psyche in ihrer höchstentwickelten, kultivierten Form voraus“ (S. 15). Durch frühkindliche Erfahrungen wird eine Weise des In-der-Welt-Seins etabliert, die sowohl in Zeiten von sogenanntem Stress und von Angst sowie ganz allgemein als Element einer kontinuierlichen Interaktion mit der Welt und ihrer Andersheit als Ressource dienen kann.

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