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II. Dc. Transformationen und die Theorie des Denkens Das Denken weist der Bion’schen Konzipierung gemäß strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Transformationsmodell auf. In seiner allgemeinsten Form entsteht das Denken, damit präpsychische, hochemotionale Situationen gehandhabt werden können. Diese emotionsbasierten, präpsychischen Elemente werden in mentale Elemente transformiert, welche die Psyche mithilfe des Denkens handhaben und verwenden kann. Letztlich produziert die Psyche Bedeutung weitgehend deshalb, um primäre emotionale Erfahrungen containen zu können. So schrieb Bion (1990 [1962]): „[…] nach meiner Theorie [wird] eine emotionale Erfahrung in Alpha-Elemente umgewandelt [transformed] […], um Traumgedanken, unbewußtes Denken im Wachen und Speicherung im Gedächtnis möglich zu machen“ (S. 104f.). Bion benutzte die Vokabel „transformed“ in ihrem alltagssprachlichen Sinn, denn dieses Zitat aus dem Jahr 1962 ging der Entwicklung seiner Transformationstheorie voraus. Dadurch wird die Schlussfolgerung bestätigt, dass Bion die Theorie der Transformationen aus der Theorie des Denkens abstrahierte (z.B. Bion 1990 [1962], S. 53). Eine kurze Darlegung der Theorie des Denkens veranschaulicht ihre strukturelle Beziehung zu dem übergreifenden Transformationsmodell. Bions Theorie des Denkens beginnt mit dem Symbol „β-Element“, das mit dem Zeichen β aus der Theorie der Transformationen allerdings, wie erwähnt, nichts zu tun hat. β-Elemente oder Beta-Elemente repräsentieren präpsychische Phänomene, die gewöhnlich mit Sinneswahrnehmung und interozeptiver somatischer Wahrnehmung in Verbindung gebracht werden; dazu zählt auch das Erleben primärer Emotionen. Bion verglich das Beta-Element mit psychischen Sinneseindrücken, die den körperlichen Sinneseindrücken analog sind. Er benutzte das Zeichen „α- Funktion“ oder Alpha-Funktion, um die Transformationsprozesse zu repräsentieren, durch welche diese psychischen Sinneseindrücke in psychische Phänomene umgewandelt werden. Als „α-Element“ bezeichnete er das Produkt der von der Alpha-Funktion durchgeführten Transformationen, Alpha-Elemente repräsentieren die ersten psychischen Elemente, die der primitiven Psyche zur Verfügung stehen (auch das Zeichen α hat nichts mit dem gleichen Zeichen aus der Transformationstheorie zu tun). Diese grundlegende Transformation der nicht- psychischen Beta-Elemente in psychische Alpha-Elemente konstituiert den basalen Prozess der Theorie des Denkens. Bion arbeitete zahlreiche Dimensionen dieses basalen Transformationsprozesses durch, einschließlich der Beeinträchtigung oder Verhinderung des Denkprozesses im Dienst einer primitiven Abwehr (siehe unten). Bion ging davon aus, dass präpsychische und protopsychische Elemente die psychische Entwicklung anregen, weil sie durch das Denken handhabbar werden. In seinem Konzept der „Gedanken, die keinen Denker haben“ (z.B. Bion 2013 [1967], S. 184) enthält der präpsychische Raum die Invariante, die ihrer Transformation in Denken harrt. Anders formuliert: Der Gedanke, der keinen Denker hat, verweist darauf, dass die „Vorstellung von Unendlichkeit […] jeder Vorstellung von Endlichkeit vorgängig ist. Das Endliche wurde ‚dem endlos Ungestalten
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