Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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1955 wurde er unter dem veränderten Titel „The role of illusion in symbol formation“ in New Directions in Psychoanalysis “, hg. von Klein, Heimann und Money-Kyrle, wiederveröffentlicht. Indirekt greifen beide Titel ein Thema auf, das die Ursprünge der menschlichen Kreativität betrifft und mit der Konstitution des Selbst sowie mit der Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich zusammenhängt, die Winnicott als Voraussetzung für das symbolische Denken betrachtete. Während das Winnicott’sche „Not-Self“ in Milners ursprünglichem Aufsatztitel eine von Klein abweichende Betonung andeutete, wurde diese Assoziation durch „illusion“ im veränderten Titel sogar noch vertieft, auch wenn der neue Titel auf Kleins Beitrag „Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung“ von 1930 zurückverweist. In jener Arbeit hatte Klein die Identifizierung eines Objekts mit einem anderen als Grundlage der Symbolik und diese als Grundlage aller Begabungen und Talente einschließlich der Sublimierung beschrieben (Klein 1995 1930]). Milner formulierte eine komplexere Sichtweise des Symbolbildungsprozesses, indem sie einen bestimmten Aspekt aus Ernest Jones’ Abhandlung über die Symbolik weiterentwickelte (Jones 1987 [1916]). Obwohl Jones und später auch Klein Verlust und Angst als wichtigste Ursachen dafür, dass sich das Interesse des Säuglings vom ursprünglichen Primärobjekt auf ein emotional als dasselbe empfundenes sekundäres Objekt verlagert, betonen, erkannte Jones an, dass es ein Bedürfnis gibt, „auf möglichst einfache Weise“ (zit. nach Milner 1987, S. 84) eine Beziehung zur Realität aufzunehmen. Laut Jones gründet die Symbolik zwar im Verbot, trägt aber auch anderen Wünschen und Bedürfnissen Rechnung. Milner beschreibt dies als ein Bedürfnis, die Welt mit einem Teil des Selbst zu versehen. Ebenso wie Sachs und Rank bezeichnete Jones diesen Prozess ein wenig abwertend als „nur ein Symbol“, während die britischen Unabhängigen sich für das Symbol an sich interessieren. Sie sehen im Symbol eine originäre Ausdrucksform, die Teil des prälogischen Denkens ist, das eine innere, mit der Herstellung der Identität in der Differenz zusammenhängende Organisation anstrebt. Sie stellen die Betonung der Symbolbildung als eine im Wesentlichen defensive Aktivität, die auf die Vermeidung von Konflikt und Unbehagen zielt, mit der Begründung infrage, dass eine solche Einschätzung die Neugier des Neugeborenen und sein Interesse an der Umwelt ignoriert. Der originäre Beitrag der Unabhängigen begreift die Beziehung zwischen innerer und äußerer Welt nicht lediglich als Bedingung für die Symbolisierung einer inneren Entwicklung. Er betont, dass das Leben wie auch die Psychoanalyse aus dem Wunsch hervorgehen, allein oder zusammen mit anderen Teilhaber der eigenen Welt zu sein. Eine erweiterte Sichtweise der Symbole bringt sie mit dem Schaffensprozess in Verbindung und unterstreicht insbesondere die Neuheit, Lebendigkeit und Bereicherung, für die sie stehen. Milners klinische Arbeit mit Kleins Enkel Simon warf Fragen bezüglich der Wurzeln des Selbst, seiner Ursprünge in der Begegnung mit der

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