Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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abgewonnen‘“ (ebd.). Bion verbindet das Konzept der primären „Gedanken“ mit den Beta-Elementen (z.B. Bion 1992 [1963], S. 115) sowie mit dem Konzept angeborener psychischer Organisationen, die er als „Präkonzeptionen“ bezeichnet (z.B. Bion 1990 [1962], S. 121, 148). Präkonzeptionen scheinen in vielerlei Hinsicht Chomskys frühem Konzept einer mentalen Tiefenstruktur analog zu sein (Chomsky 1965). Bions prototypische Beispiele für Präkonzeptionen sind „die Brust“ und der Ödipuskomplex. Bion behauptete, dass ein an der Brust trinkender Säugling – eine reale Situation, die als Realisierung zu dienen geeignet ist – eine emotionale Erfahrung macht, die durch die angeborene Präkonzeption der „Brust“ geprägt ist. Dabei ging er von der Annahme aus, „daß ein Kind eine angeborene Prä-Konzeption von der Existenz einer Brust hat, die seine eigene unvollständige Natur befriedigt. Die Realisierung der Brust führt zu einer emotionalen Erfahrung“ (Bion 1990 [1962 ], S. 123). Die Präkonzeption führt präpsychische und protopsychische Elemente mit der emotional erlebten Stillfunktion zusammen, und zwar in der Beziehung, die mit der Realisierung eines Säuglings an der Brust auftaucht. Die Brust organisiert eine emotionale Invariante für nachfolgende Transformationen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen und u.a. unbewusste Objektbeziehungen organisieren können. So schrieb Bion: „Wir müssen annehmen, daß die gute Brust und die böse Brust emotionale Erfahrungen sind“ (ebd., S. 82). Aus diesem Grund repräsentierte er die drei größten Kategorien emotional besetzter Verbindungsfunktionen durch L (Liebe) in der guten Brust, H (Hassen) in einer bösen Brust und K (knowledge, Wissen) (siehe unten, „Transformationen in K und O“). Denken kann sich nicht entwickeln, wenn die Brust in einem gesättigten, zufriedenen Säugling eine Realisierung findet. Vielmehr taucht das Denken auf, wenn der Säugling frustriert ist und keine Realisierung produzieren kann, die ihn befriedigt. Wenn der Säugling beispielsweise hungrig ist und die Präkonzeption Brust auf keine Realisierung trifft, besteht laut Bion trotzdem eine emotionale Beziehung, nämlich zu einer „no-breast“. In dieser „no-breast“-Beziehung verbinden sich überwältigende unlustvolle emotionale Eigenschaften des Nicht-Gestilltwerdens an der versagenden „no-breast“. Diese reichen von Frustration bis zu „namenloser Angst“ oder „Furcht zu sterben“ (Bion 2013 [1962], S. 132) oder „subthalamischer Angst“ (Bion 1973, VII): Das Denken entwickelt sich, um Frustration und Schlimmeres zu transformieren; Denken transformiert die emotionale Erfahrung „Nicht-Gestilltwerden an der versagenden abwesenden Brust“. Schließlich taucht eine Realisierung – die Mutter, ihre Brust usw. – auf und wird zur Verkörperung der Präkonzeption „die Brust“. Auf diese Weise befriedigt sie „die eigene unvollständige Natur“ des Säuglings (Bion 1990 [1962], S. 123).

II. Dd. Transformationen, der Raster und laterale Kommunikation Der von Bion entworfene Raster vertiefte seine Theorie des Denkens (vgl. Bion 1992 [1963], S. 95f.; 1963b, V, S. 101-114). Die verschiedenen Reihen und Spalten

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