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und die Interaktion zwischen rezeptiven und motorischen Neuronen reguliert. Motorische Aktion beruht letztlich auf den affektgestützten prädiktiven Anforderungen, die verfügbare endogene und sensorisch-perzeptive Information im Licht elementarer körperlicher Bedürfnisse sowie der Notwendigkeit des Umweltüberlebens und der Reproduktion zu verarbeiten. Diese prädiktiven Erwartungen spiegeln sich in den kognitiven Funktionen des Gehirns wider. Teil der kognitiven Integration ist ein komplexes selbstorganisierendes System, das über ein metakortikales Zentrum verfügt, das basale „Selbstsystem“. Durch Solms’ Konzipierung wird Freuds „hydraulische Theorie“ der Energie in Energie als eine durch die informationsverarbeitende Analyse der körperlichen Bedürfnisse und der Realität determinierte Arbeitsanforderung verwandelt. Solms’ Theorie bringt diese informationsverarbeitenden Potentiale mit höherrangigen, komplexen Entscheidungsprozessen in Verbindung, die Teil der inneren Strukturen des psychischen Apparates werden. Solms macht sich bei seiner Arbeit mit Panksepps Konzept der Affektsysteme auch die Vorstellung zunutze, dass die Affekte komplexe psychophysiologische Strukturen darstellen, die von spezifischen limbischen Bereichen des Gehirns, von spezifischen Neurotransmittern und damit zusammenhängenden hormonellen Prozessen, unterstützt werden. Von besonderer Bedeutung ist zudem der subjektive Aspekt der Befriedigung und/oder Unzufriedenheit, der Lust und/oder Unlust, der für jedes der von Panksepp beschriebenen wesentlichen Affektsysteme spezifisch ist. Darüber hinaus erfüllen Affekte eine Kommunikationsfunktion, die das Individuum mit seiner menschlichen Umwelt verbinden und in spezifischen emotionalen, mit interpersonaler Erfahrung einhergehenden Reaktionen wesentliche Bedürfnisse im Dienst des Überlebens, ihre Befriedigung oder Versagung, ausdrücken. Affekte senden spezifische prädiktive Signale, die spezifische Aktionen initiieren, welche die sensorisch wahrgenommene Welt betreffen und dem Individuum eine entsprechende Reaktion auf die äußere Umwelt vorgeben. Solms bezeichnet das Drängen auf Arbeit als Trieb. Dieses Drängen wird durch saliente Affekte im zentralen Nervensystem induziert. Laut Solms ist Bewusstsein eine wesentliche Funktion der je salienten Affektsysteme. Somit entspringt das Bewusstsein dem Affektausdruck biologischer Kernbedürfnisse, das heißt, es ist keine Konsequenz einer kognitiven Organisation der wahrgenommenen Signifikanz der äußeren Welt. Das „zentrale Kontrollsystem“, das Solms dem „Entscheidungsdreieck des Mittelhirns“ (PAG = periaquäduktales Grau) und den lokomotorischen Regionen des Mittelhirns zuschreibt, entspricht dem, was Panksepp als primäres Selbst bezeichnete, also ebenjener Region, in der Entscheidungen über die Priorisierung konkurrierender Affektsysteme getroffen werden. Ein bedeutsamer originärer Beitrag Solms’ ist die zentrale Bedeutung, die er der allgemeinen homoöstatischen Funktion als maßgeblichem autonomen, angeborenen Mechanismus zur Kontrolle jener physiologischen Funktionen beilegt, die auch die Beziehungen in der interpersonalen Welt regulieren. Eine zweite wichtige Veränderung
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