Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Alvarez knüpfte an Winnicotts Konzept der Übergangsobjekte an und untersuchte Identifizierungen transitorischer Art, die das Selbstgefühl betrafen. So erforschte sie „Übergangszustände“, ein Begriff, mit dem sie „das Kontinuum von projektiven Identifizierungen in der Art symbolischer Gleichsetzungen“ beschrieb, „in denen sich der Patient mit einer idealen Heldengestalt identisch fühlt, bis zu den eher erwachsenen symbolischen Identifizierungen, die für die depressive Position charakteristisch sind und die Individualität von Objekt und Selbst sowie ihre Unterschiede anerkennen“ (1996, S. 381). Sie greift auch ihre frühere Überlegung wieder auf, dass die Bereiche zwischen diesen beiden Zuständen potenziell wichtige Übergänge des Selbstgefühls enthalten, und betont, dass wir „auf die Identifizierungen eines Selbstgefühls transitorischer Art ebenso aufmerksam achten müssen wir auf die transitorischen Eigenschaften des inneren Objekts“ (S. 381f.). Der originäre Beitrag der britischen Unabhängigen versteht die Beziehung zwischen innerer und äußerer Welt nicht lediglich als Voraussetzung einer Symbolisierung der inneren Entwicklung. Betont wird vielmehr, dass das Leben ebenso wie die Psychoanalyse aus dem Wunsch hervorgehen, an der eigenen Welt, allein oder zusammen mit anderen, teilzuhaben. In Anlehnung an Winnicott führt Michael Parsons (2000) die Kreativität auf das ständige Zusammenspiel paradoxer Ideen im Übergangsraum / im potenziellen Raum zurück, in dem es möglich ist, Illusion aufrechtzuerhalten. Parsons ist überzeugt, dass sowohl die psychische Realität als auch die Symbolik defensiv benutzt werden können, um der gewöhnlichen Wirklichkeit auszuweichen, dass aber andererseits „beide für ein lebendiges Sich-Einlassen auf diese Wirklichkeit unverzichtbar“ sind (Parsons 2000, S. 181), weil beide „intrinsisch abhängig“ sind von der doppelten Funktion der Verneinung. Seine Anerkennung dieser der kreativen Symbolik eigenen Paradoxie kommt Milner nahe, welche die Symbolik in ihrem klassischen Beitrag von 1952 ebenfalls nicht als eine defensive Regression versteht, sondern als notwendigen Aspekt der Entwicklung einer kreativen Beziehung zur Welt. Ebenso wie Milner interessiert auch Parsons sich insbesondere für die Symbolisierung als einen kreativen Akt der Vorstellungskraft und Phantasie. Die unbewusste Bedeutung eines Symbols muss analysiert werden, und Symbole können durchaus eine Abwehrfunktion erfüllen. Insgesamt gesehen aber konzentriert sich Parsons eher auf die Frage, wie das Verstehen eines Symbols den Menschen mit seinen imaginativen Fähigkeiten in Berührung bringt. Der kreative Gebrauch von Symbolen beruht darauf, dass sie als zugleich real und nicht real anerkannt werden. Parsons hat die Symbolisierung mit seinen Überlegungen zum Spiel enggeführt, dem die gleiche paradoxe Freiheit, zugleich real und nicht real zu sein, zugrunde liegt. Dies entspricht Winnicotts „Übergangsraum“, und Parsons betrachtet das Spiel mit der Symbolisierung in diesem Bereich als eine wichtige Möglichkeit, kreative Phantasie und Einbildungskraft zu erweitern.

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