Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Das Symbolisierungsverständnis der britischen Unabhängigen leitet sich von einer Auffassung der menschlichen Natur her, der zufolge das Symbol eine originäre Ausdrucksform darstellt und die Bedeutsamkeit des Symbolischen Teil des sehr frühen Denkens ist. Weiterentwicklungen und Synthese des britischen objektbeziehungstheoretischen Denkens in Nord- und Lateinamerika werden unten in den entsprechenden Abschnitten erörtert.

III. B. Die französische Tradition in Europa III Ba. Allgemeine Überlegungen / Konzeptualisierungen

Das Konzept der Symbolisierung und die von ihm hergeleiteten Überlegungen spielen in den Veröffentlichungen französischer Autoren eine vorrangige Rolle. In einem Bericht mit dem Titel „Destins de la symbolisation“ [„Schicksale der Symbolisierung“], den Alain Gibeault 1989 für den Kongress französischsprachiger Psychoanalytiker verfasste, definierte er die Symbolisierung als einen für den Aufbau der Psyche und insbesondere für die Differenzierung zwischen dem Ich und dem/der Anderen erforderlichen Mechanismus auf klassische Weise als „die Ersetzung von etwas durch etwas anderes“ oder als unbewussten Mechanismus, den Gibeault als intrapsychische „Symbolisierungsarbeit“ und intrapsychischen Prozess der Korrelierung und Differenzierung zwischen „dem Subjekt“ und „dem Objekt“ beschreibt. Diese Sichtweise rückt die kulturellen und sprachlichen Aspekte der Symbolisierung in den Hintergrund und verwirft jede Deutung, die auf die Symbolik als „Schlüssel zu den Träumen“ oder auf Jung’sche Archetypen rekurriert, zugunsten der Untersuchung dessen, was zum Auftauchen persönlicher Symbole führt, die an die Repräsentanzenwelt anknüpfen. Diese Auffassung hängt mit dem Konzept des Objektwechsels zusammen: Die Besetzung eines bestimmten Objekts wird auf das, was zu seinem Symbol werden soll, übertragen. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, wurden die theoretischen Konzipierungen, die Symbolisierungsprozesse implizieren, auch als Darstellung und Darstellbarkeit formuliert. Freud selbst benutzte diese Begriffe in der Traumdeutung , um die Transformation von Gedanken in Traumbilder zu beschreiben. Laplanche and Pontalis (1973 [1967]) definieren Darstellbarkeit wie folgt: “Forderung, der die Traumgedanken unterliegen: sie erfahren eine Auswahl und eine Umwandlung, damit sie in Bildern, besonders visuellen, vorgestellt werden können“ (S. 112). Das Ergebnis ist eine „Darstellung“ der Traumgedanken. Zum Beispiel könnte „Aristokratie“ im Traum durch einen hohen Turm symbolisiert werden. Die meisten französischen Autoren, die sich unter dem psychoanalytischen Blickwinkel mit der Frage der Symbolisierung beschäftigt haben, ziehen als Beispiel das Garnrollenspiel, auch als „Fort-da-Spiel“ oder „Verschwinden und

866

Made with FlippingBook - Online magazine maker