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Das Konzept der Transformation in O oder T(O) ist komplexer Natur. Die oben zitierte Aussage: „Transformationen in K werden gefürchtet, wenn sie drohen, Transformationen in O auftauchen zu lassen“ – anders formuliert: wenn sie drohen, Transformationen in O nach sich zu ziehen –, zeigt, dass T(O) nicht mit Denken, sprachgestützter Bedeutung und bewusstem, rationalem Denken einhergehen. Sein Bewusstsein für Bedeutung zu verlieren und bedeutungslosem sensorischem Erleben ausgesetzt zu sein ist unter normalen Umständen furchteinflößend. Dennoch interessierte sich Bion für T(O) insbesondere mit Blick auf die psychoanalytische Beobachtung, und dies wirf zahlreiche konzeptuelle Schwierigkeiten auf. Vielleicht ist es hilfreich, sich an Bions Behauptung zu erinnern, dass sich in jedem Behandlungszimmer „grundsätzlich zwei verängstigte Personen aufhalten [sollten]: der Patient und der Psychoanalytiker“ (Bion 2010 [1990], S. 15). Für Bion (1997 [1965]) ist T(O) „ein Sonderfall von Transformation; sie liegt dem Analytiker in seiner Funktion, zur Reifung der Persönlichkeit seiner Patienten beizutragen, besonders am Herzen“ (S. 197). Um Missverständnissen vorzubeugen: Furcht ist weder das Ziel noch das mutative Element, aber Bion war überzeugt, dass psychoanalytische Arbeit, die sich der Wahrheit stellt, häufig furchterregend ist. T(O) kann für Analytiker wie auch Patient die Fähigkeit – so erschreckend dies sein mag – repräsentieren, sich von den Scheuklappen der Gewissheit von T(K) zu befreien, d.h. von Bedeutung oder von Wissen, und auf diese Weise evolutionäre Entwicklng durch rezeptive Intuition der zugrundeliegenden emotionalen Wahrheit fördern. Dazu noch ein Beispiel: “[…] die analytische Situation selbst sowie der psychoanalytische Beruf oder die psychoanalytische Aufgabe an sich [stimulieren] unweigerlich primitive und basale Gefühle im Analytiker und im Analysanden […]. […] Liebe, Haß, Angst [werden] bis zu einem Punkt zugespitzt, an dem das beteiligte Paar sie als nahezu unerträglich empfindet; dies ist der Preis, der für die Transformation einer Aktivität über Psychoanalyse in eine Aktivität, die Psychoanalyse ist , gezahlt werden muß.“ (Bion 2006 [1970], S. 78f.) Analytiker geben sich große Mühe, klar verständlich über T(O) zu schreiben, weil es unsagbare Erfahrungen jenseits von Logik, Denken, Erinnerung, Wunsch und ähnlicher Kognition bezeichnet. Ebenso wie das Wesen von O lässt sich auch das Wesen von T(O) nicht direkt in Worte fassen. Bions Texte wurden zunehmend diffus, opak und umstritten, als er damit kämpfte, das nicht (Be-)schreibbare zu beschreiben. So heißt es in Transformationen : “[…] Transformation in O, das heißt von K ➔ O […], die mit „Werden“ einhergeht, wird als untrennbar von Werden zu Gott, der letzten Realität, der Ersten Ursache, empfunden. Die Qual der ‚dunklen Nacht‘ [ein Verweis auf Johannes vom Kreuz, „Die dunkle Nacht der Seele“] ist Furcht vor Größenwahn. Mit einer Qual, die, wenn auch unzulänglich, als ‚Größenwahn‘ bezeichnet werden kann, hemmt diese Furcht die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, das heißt reif zu sein, weil dies offenbar bedeuten würde, Gott zu sein , die Erste Ursache und die letzte Realität,“ (Bion 1997 [1965], S. 198f.;
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