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Formen des Todestriebs an. Der „Fremde“ weckt im Säugling die Angst vor dem Raubtier (S. 473). Mit Bezug auf den Angstaspekt der Klein’schen Theorie knüpft Grotstein (2000) an Kleins These an, dass der Säugling „Einbrüche des Todestriebs von Beginn an als Angst“ erlebe (S. 466). Unter Berücksichtigung der Sichtweisen von Freud, Bion, Hartmann, Spitz und vielen anderen gelangt Grotstein zu der Ansicht, „dass der Todestrieb das Archiv des Überlebens des Organismus über die phylogenetische Zeit hinweg sowie die Anpassungsstrategien konstituiert, die aus seiner phylogenetischen Erfahrung hervorgegangen sind“. So gesehen, ist der Todestrieb „lediglich eine weitere Dimension des Lebenstriebs“ (S. 477). Grotstein (2000) hat auch die triebgestützte Hypothese aufgestellt, dass der Hass als Alarmsignal und Abwehr angesichts der traumatischen Begegnung mit der Urangst vor unerträglichem Chaos dient. Er setzt so den Hass in Beziehung zu Todestrieb, Zorn und Wut. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist Hass ein weiterentwickelter Teil des „destruktiven Ensembles“ (zu dem auch der Todestrieb gehört), das aus der Fehlanpassung der sich als Protest äußerenden Wut als Versuch, eine schlechte Situation zu verbessern, hervorgeht. Sobald es aktiviert wird, löst das destruktive Ensemble einen Angstalarm aus, der das unbekannte, grenzenlose, verschlingende Chaos signalisiert. In Erweiterung von Bions Gedankengang versteht Grotstein sowohl die Wut als auch – später – den Hass als manische Abwehr, die sich gegen das Hilflosigkeitsgefühl angesichts der bionianischen Angst vor „O“ richtet. IV. Fg. Zeitgenössische Selbstpsychologie & relationale Ansätze Das Triebverständnis der heutigen relationalen Theoretiker ist eine komplexe Angelegenheit. Relationale Analytiker werden gewöhnlich als eine Bewegung von Theoretikern unterschiedlicher Orientierung mit Wurzeln in der postkleinianischen Objektbeziehungstheorie, in der Selbstpsychologie oder in intersubjektiven Theorien identifiziert. Als Vorläufer gelten u.a. Sándor Ferenczi und/oder Harry Stack Sullivan. Charles Spezzano (Mitchell und Aron, 1999, S. 285) hat vorgeschlagen, die relationale Bewegung als die „amerikanische Middle Group“ zu definieren – „die in der fruchtbaren [dialektischen] Spannung zwischen dem Intrapsychischen und dem Interpersonalen operiert und [gleichzeitig] revolutionär und evolutionär ist“. In Greenbergs und Mitchells (1983) bahnbrechendem Werk erkennt man eine in den Sozialwissenschaften wie auch in den Gender-Studies lebhaft geführte epistemologische Diskussion über Essentialismus vs. Konstruktivismus als Hintergrund. Der Essentialismus geht von Wesenheiten aus, d.h. von unverrückbaren objektspezifischen Eigenschaften. Die Welt einschließlich der Menschen besteht aus „Entitäten“, die durch vorgegebene Kategorien definiert sind. Bei diesen Kategorien kann es sich um biologische Entitäten wie Gender, Sexualität oder Trieb handeln. Im Gegensatz dazu gehen die Konstruktivisten von einer sozialen Matrix – z.B. der Familie oder der kulturellen Dynamik – aus, innerhalb deren die Welt aufgebaut wird. Die Welt
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