Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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– frühere Ereignisse heranzieht, um das Geschehen in der Gegenwart zu verstehen. Ein solches durch eine freudianische Deutung exemplifiziertes Verständnis kann zu einer Transformation in K führen. 4) Transformationen in K. Die Deutungen zielten auf „Wissen über“ [knowing- about] bis zu dem Punkt, an dem sie sich in persönliche Weisheit umwandeln. Festzuhalten ist aber, dass die Arbeit des Analytikers nur bis zu dem Punkt gehen kann, der K → (O) hinführt, d.h. zur analytischen Transformation. Die übrige Arbeit, das Durcharbeiten, ist vom Analysanden zu leisten und kann zu einer Transformation in O führen (was aber nicht immer der Fall ist). 5) Transformationen in O. Diese Transformation ist die Bewegung der Selbstwerdung durch inkarniertes K (Weisheit); sie vollzieht sich nur in der inneren Zeit des Analysanden. Es findet keinerlei räumliche Verzerrung, keinerlei Projektion statt. Lediglich eine Art „Fall“ ins eigene Selbst (kein Wissen über, nur Werden). In einem hochtheoretischen eigenen Exkurs betrachtet Arnaldo Chuster (1999, 2002, 2014, 2018) die Raum-Zeit-Erfahrung, wie Bion sie in seiner Theorie der Transformationen konzeptualisiert, als einen originären Aspekt des Bion’schen Werkes (Bion 1965*). In diesem Kontext sind Zeit und Raum jeweils Teil der Funktion, die unsere menschliche Existenz ausmacht. Daher sind sie inhärente, überdauernde Teile der Präkonzeption sowie unserer Konzeptionen und Konzepte, die es uns ermöglichen, mit uns selbst und mit uns selbst in Gruppen zu leben. Diese Definition ist strittig, da eine der Bedeutungen die Präsenz von Zeit im Unbewussten als künftige unbewusste Zeit ausdrückt, was sehr sinnvoll ist, wenn man an Bions Überlegungen zur Komplexität in A Memoir of the Future (1975) oder zum „Glaubensakt“ in Aufmerksamkeit und Deutung (2006 [1970]) denkt. Diese Hypothese ist nur innerhalb des Kontextes der Komplexität praktikabel. Sie ist nicht praktikabel (oder sinnvoll) im Kontext deterministischer oder hermeneutischer Modelle. Jede Art von Transformation vermittelt ein anderes emotionales Zeiterleben sowie ein anderes Erleben von Bildern (Raumformen), die auf der unbewussten Ebene existieren. Man könnte hier an die Kommunikation von Unbewusstem zu Unbewusstem denken, die Freud beschrieben, aber nicht genau erklärt hat. Bion erklärt sie auf subtile, komplexe und tiefgründige Weise. Transformationen in K produzieren zum Beispiel ein Zeiterleben wie dasjenige, das in einer einfachen logischen Referenzzeit gründet; eine Information, die mit einem spezifischen Bild zusammenhängt, das auf der primitiveren Ebene der Psyche wie das Bild eines Punktes (.) ist. Bei starren Transformationen ist das Zeiterleben zirkulär; eine Bedeutung scheint auf der primitiveren Ebene der Psyche ein ums andere Mal wiederzukehren und hängt mit dem Bild eines Kreises zusammen.

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