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Verdrängung nicht zu trennen; für gewöhnlich ist er, was das Ziel betrifft, partiell gehemmt. Wenn man sich aber vorstellt, dass er allein operiert, könnte man sagen, dass der sexuelle Machttrieb/Bemächtigungstrieb ( sexual drive for power ) sein Objekt besitzen, beherrschen, sich unterwerfen und, wenn dies nicht möglich ist, zerstören will. Historische Tragödien wie der Holocaust und andere genozidale Massaker haben ein ums andere Mal illustriert, dass dies tatsächlich geschieht, wenn der Trieb ungehindert ausgelebt werden kann. V. Bd. Paul Denis Paul Denis (1992, 1997, 2011, 2015), in Französisch-Kanada einflussreiches Mitglied der Pariser Psychoanalytischen Gesellschaft, untersucht die Libidotheorie und das Verständnis der Befriedigungserfahrung sowie den von Freud erstmals beschriebenen Bemächtigungstrieb und schlägt folgendes Modell vor: Der Trieb nimmt in der Kombination zweier Strömungen der libidinösen Besetzung Gestalt an; eine der beiden Strömungen folgt den Wegen des „Bemächtigungsapparates“ (Freud 1905d, S. 58) (Sinnesorgane, Motorik etc.) und sucht nach dem angemessenen Objekt, während die andere die erogenen Zonen und die Befriedigungserfahrung durch Stimulation im Kontakt mit dem Objekt besetzt. Zu Beginn der Drei Abhandlungen führte Freud (1905d) das Konzept des Bemächtigungstriebs ein, der mit einem entsprechenden körperlichen Apparat, dem Bemächtigungsapparat verbunden ist, durch den motorische Fähigkeiten und Sinnesorgane – Fühlen, Sehen, Hören – zusammengeführt werden. Dieser Apparat ist sowohl aktiv als auch rezeptiv und in der Lage, die Bemühungen des Anderen, sich seiner zu bemächtigen, wahrzunehmen und zu verstehen. Der andere von Freud beschriebene Apparat wird durch die erogenen Zonen konstituiert und ist in der Lage, eine „Befriedigungserfahrung“, deren vorrangiges Modell der Orgasmus ist, zu vermitteln. Die libidinöse Besetzung kann also über zwei mögliche Wege erfolgen, einerseits über den Bemächtigungsapparat und andererseits über die erogenen Zonen mit den Empfindungen, die sie aktivieren können. Der Bemächtigungsapparat ermöglicht die Besetzung von Elementen der äußeren Welt. Das Ergebnis dieser Kombination von Besetzungen ist eine „Repräsentation“, die später heraufbeschworen werden kann, um die Abwesenheit eines befriedigenden Objekts vorübergehend zu tolerieren. Auf dieser konzeptuellen Grundlage unterscheidet Denis die eigentlichen Repräsentationen – als Mittler der Befriedigung – von „Imagines“ und traumatischen Bildern, die eine Erregung erzeugen, die nicht die von den Trieben eingeschlagenen Wege nimmt. Dieses Modell ermöglicht es, Objektsuche und Suche nach Lust miteinander zu vereinbaren und Objektbeziehungen im Kontext der infantilen Sexualität zu verstehen. Destruktivität wird als „Bemächtigungswahnsinn“ betrachtet und nicht im Sinne der Freud’schen Todestriebhypothese verstanden. Laut Denis sind adäquate Lust und Befriedigung nur durch eine am Objekt ausgeübte Handlung zu erreichen. Ebendiese Rolle wird angemessenen
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