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Verhaltensweisen und Bemühungen, sich des Objekts zu bemächtigen, zugeschriebenen. Denis weist darauf hin, dass Freud dem Trieb, sich des sexuellen Objekts zu bemächtigen, die Aufgabe zuschrieb, es zu erobern, zu unterjochen und physisch zu besitzen, um den Sexualakt durchzuführen. Freud hat das Streben nach Befriedigung nicht von der Ausübung des Willens zur Bemächtigung getrennt, sondern – ganz im Gegenteil – beides fest miteinander verbunden. Die Triebbewegung beginnt mit einem Anstieg libidinöser Erregung, die zuerst in die Ausübung einer Bemächtigung des Objekts investiert wird, um es in Kontakt mit der erogenen Zone zu bringen und eine Handlung an ihm vorzunehmen, die zur Befriedigungserfahrung, zu einer Abfuhr, führt. Wenn wir das Beispiel des Säuglings betrachten, so wird er durch den Anstieg libidinöser Erregung veranlasst, der motorischen Agitiertheit Stimme zu geben, die ihm sodann die Brust näherbringt, deren er sich energisch bemächtigt: Die motorische Anstrengung des Säuglings stimuliert die orale erogene Zone und erzeugt eine Befriedigungserfahrung, nicht nur eine „Abfuhr“, sondern ein erfolgreiches Zustandebringen. Zu Beginn der psychischen Organisation sind die Triebe, so Denis, bekanntermaßen „partielle Triebe“, insofern sie für das Kind auf einen Teil seiner selbst fokussieren und nur an Objekten interessiert sind, die Fragmente der Welt darstellen. Dementsprechend kann man in dieser Phase von „Partialobjekten“ sprechen. Komplizierter wird die Situation, sobald die Versorgerin des Kindes als ein ganzes Objekt besetzt wird; nun werden die Triebe ihr gegenüber sozusagen gebündelt. Was die Aggression betrifft, so erklärt Denis, dass die Anstrengungen, sich des Objekts zu bemächtigen, bei ausbleibender Befriedigung intensiviert werden können, und zwar bis hin zur Ausübung von Gewalt gegen das Objekt, das sich weigert, sich benutzen zu lassen (oder an dem das Subjekt nicht zur Befriedigungserfahrung gelangen kann). Ein „Bemeisterungswahnsinn“ (die frühe Form des Bemächtigungswahnsinns) kann sich derart steigern, dass er scheinbar durch nichts gebremst werden kann. Ebendies hatte Freud (1909b) im Sinn, als er den von Adler postulierten „besonderen Aggressionstrieb“ ablehnte: „Ich kann mich nicht entschließen, einen besonderen Aggressionstrieb neben und gleichberechtigt mit den uns vertrauten Selbsterhaltungs- und Sexualtrieben anzunehmen. […] Es scheint mir, daß Adler einen allgemeinen und unerläßlichen Charakter aller Triebe, eben das ‚Triebhafte‘, Drängende in ihnen, was wir als die Fähigkeit, der Motilität Anstoß zu geben, beschreiben können, zu einem besonderen Triebe mit Unrecht hypostasiert habe. Von den anderen Trieben erübrigte dann nichts anderes als die Beziehung zu einem Ziele, nachdem ihnen die Beziehung zu den Mitteln, dieses Ziel zu erreichen, durch den ‘Aggressionstrieb‘ abgenommen wird; trotz all der Unsicherheit und Ungeklärtheit unserer Trieblehre, möchte ich vorläufig an der gewohnten Auffassung festhalten, welche jedem Triebe sein eigenes Vermögen, aggressiv zu werden, beläßt, und in den beiden bei unserem Hans zur Verdrängung gelangenden Trieben würde ich altbekannte Komponenten der sexuellen Libido erkennen.“ (S. 370f.)
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