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Später führte Freud den Todestrieb ein, von dem er den Drang, das Objekt zu kontrollieren, herleitete. Allerdings betrachtet Denis den Todestrieb, so wie Freud ihn beschrieben hat, mitnichten als einen Trieb: Er hat keine Quelle, kein Ziel und verfügt nicht über eigene Energie. Seiner Ansicht nach stiftet dieses Konzept lediglich theoretische Verwirrung. Das Gegensatzpaar Eros und Thanatos – eine verbindungsstiftende und eine verbindungsauflösende Kraft – kann bestenfalls als die beiden Pole eines Funktionsprinzips verstanden werden: Ein Prinzip der Organisation– Desorganisation. Die Stauung unbefriedigter – d.h. aus diesem oder jenem Grund nicht zu befriedigender – Libido kann zerstörerisch sein. Denis ist der Ansicht, dass sich hinter dem Skandal, den Freuds Todestriebkonzept erregte – obwohl sich der alte Mythos des Gegensatzes von Leben und Tod in sämtlichen Religionen findet –, der eigentliche Skandal der Psychoanalyse verbirgt: Die Libido, die Energie, aus der sich die Liebe nährt, kann auch töten, kann auch zerstören. V. Be. Christine Anzieu-Premmereur Christine Anzieu-Premmereur (2015, 2017) ist eine in New York arbeitende französische Analytikerin, die in ihrer Arbeit mit Säuglingen und ihren Müttern/Eltern frühe Störungen der auftauchenden Libidoorganisation erforscht. Sie erörtert Didier Anzieus (1979) Metapher des „Haut-Ichs“, die Bowlbys und Freuds Denken zusammenführt, mit Blick auf Libido- und Triebtheorie. Anzieu postulierte in seiner ursprünglichen Synthese ein Gegenstück zur Libidotheorie mit ihrer Betonung der durch ein erregendes Objekt erlangten Befriedigung. Dieser komplementäre Trieb, dessen Ursprung in Form von Signalen Ausdruck findet, die durch Berührung, Gehaltenwerden, durch die Weichheit und den Rhythmus des Kontakts empfangen werden, gründet in frühen Interaktionen mit dem Körper und seiner Oberfläche, der Haut. Dieser Trieb ist der Ausgangspunkt des „primären Narzissmus“ und entwickelt sich durch die doppelte Hülle von „Stimulation-Erregung“ und „Kommunikation“. Anzieu-Premmereur (2017) führt die Erforschung der inneren Welt des Säuglings und die Nützlichkeit bestimmter klassischer freudianischer Konzepte für die analytische Arbeit mit Dyaden und Triaden (Mutter/Eltern und Kind) fort. Sie geht von der Existenz eines „primären Narzissmus“ und von der Triebtheorie aus und erläutert, wie die Triebbedürfnisse und die mit ihnen einhergehende Spannung die Mutter als Teil des Befriedigungsprozesses und des ökonomischen Gleichgewichts der Spannungs- und Lustquantitäten in der primitiven inneren Organisation des Babys in Dienst nehmen. Auf diese Weise erforscht sie die Rolle der Libidinisierung des Körpers und die mütterliche Destruktivität in der frühen Container-Contained-Interaktion im (durch klinische Beispiele illustrierten) Kontext der Übertragung von Babys, der frühen Organisation eines Über-Ichs, der masochistischen Reaktionen hilfloser Säuglinge, des Körper-Ichs und der libidinösen Besetzung, indem sie auf Winnicotts (1967) und
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