Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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entscheiden ( Unentscheidbarkeitsprinzip ) und eine Lösung zwischen Individuen nicht allein und einfach durch die Eliminierung dessen, was anders ist, erfolgen kann. Manche Patienten halten z.B. an der Überzeugung fest, dass eine Gruppe sich nur etablieren kann, indem sie zunächst das, was anders ist, ausschließt. Danach wird die Differenz (d.h. die Andersheit) entwertet und schließlich ihre Zerstörung angestrebt. Ein solches Beispiel für Transformation in Halluzinose schließt die Singularität der inneren Gruppe der Individuen aus. Bei einigen Patienten zeigt sich dies in der Neigung, den Analytiker in eine die Wahrheit missachtende Beziehung hineinzuziehen, in der die soziale Repräsentation des Individuums nicht zur Sprache kommt – weder bezüglich seiner Verantwortlichkeit für Ereignisse noch bezüglich der fundamentalen Notwendigkeit, mehr als einen Vertex zur Klärung von Konflikten heranzuziehen ( Komplexitätsprinzip ). Darüber hinaus muss man beobachten und deuten, was Chuster (2018) als eine ethisch-ästhetische Barriere bezeichnet, die auf Vertrauten und Aufrichtigkeit der Worte beruht, die Charakter, beruhend auf Mut, Mitgefühle und Respekt vor Leben und Wahrheit, hervorbringt. Der Analytiker muss sich in der Sitzung in einen mentalen Zustand versetzen, in dem er für die Turbulenz der Anwendungen des psychoanalytischen Objekts empfänglich ist (Bion 1990 [1962]). Zu diesem Zweck muss er sich auf die psychoanalytische Funktion seiner Persönlichkeit verlassen. In dieser Hinsicht sind die Fähigkeiten von Analytikern individuell höchst unterschiedlich, aber auch die Fähigkeit des einzelnen Analytikers ist situationsabhängig. Die psychoanalytische Fähigkeit ist nicht stabil, denn sie beruht auf der Interaktion sowohl mit der ödipalen Konfiguration als auch mit ihrer Entwicklung. Was die Fähigkeit, abgesehen von der persönlichen Analyse, verbessern und nach Möglichkeit vervollständigen kann (obwohl man eine solche Vollständigkeit vorab nicht definieren kann), ist ein mentaler Zustand, der von Erinnerung, Wunsch und dem Bedürfnis, zu verstehen, möglichst frei ist. Das bedeutet, man sollte den gegenwärtigen Moment unbelastet von jedweden durch frühere Überlegungen oder für die Zukunft erwünschte Resultate geprägte Erwartungen beobachten können. Die von Bion benutzten Begriffe sind von einem eindrücklichen Halbschatten von Assoziationen mit einer Art Geheimnis im Kern umgeben, die den Analytiker zwingen sollen, wiederholt über seine Technik nachzudenken. Die Assoziationsübung mit dem Ödipusmythos (Chuster 1999, 2002, 2003, 2014, 2018) hilft, die Intuition und die Fähigkeit zu entwickeln, über eine adäquate Version der „Sprache des Vollbringens“ (Bion 2006 [1970]) zu entscheiden, die in der Geschichte [history], die sich im analytischen Prozess entfaltet, benutzt werden kann. Gleichzeitig braucht man eine Art „Schutzengel“, den Chuster (2002, 2003, 2014, 2018) als ethisch-ästhetische Beobachtungsprinzipien bezeichnet.

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