Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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bis zu Bions Tod im Jahr 1979 bezeichnet. In diesem Kontext markiert Transformations sozusagen den Übergang zwischen dem mittleren und dem „späten“ Bion, aber auch den Punkt, an dem die Differenzen zwischen den beiden Analytikergruppen, die mit seinen Konzepten arbeiten, sich festmachen. Infolgedessen ist eine nordamerikanische Version von Bions Theorie der Transformationen unweigerlich durch diese Differenzen und Variationen gekennzeichnet. Im Sinne einer vollständigen Darstellung enthält dieser Eintrag einen Abschnitt über weitere Anwendungen des Begriffs innerhalb anderer Richtungen der nordamerikanischen Psychoanalyse, die nicht auf Bions Werk Bezug nehmen. III. Ba. James Grotstein James Grotstein war der bekannteste Experte für Bions Werk, auf jeden Fall in Nordamerika und vielleicht auch weltweit. Seine Arbeiten haben Einfluss auf jeden nordamerikanischen Bion-Forscher ausgeübt, und die meisten von ihnen haben in irgendeiner Form direkt mit ihm kommuniziert. Grotsteins erste und seine letzte Publikation waren Bions Werk gewidmet (Malin und Grotstein 1966; Grotstein 2019). Er hat vier Bücher verfasst, die sich direkt mit Bions Einfluss und seinen Schriften auseinandersetzen (Grotstein 1981, 2000, 2007, 2009a, b). Seine umfassendste Darstellung des Bion’schen Psychoanalyseverständnisses ist vielleicht A Beam of Intense Darkness: Wilfred Bion’s Legacy to Psychoanalysis von 2007, ein Buch, das er nicht als Einführung in Bions Werk angelegt hat. Vielmehr spiegelt es seinen persönlichen Zugang zu Bion, sein Durcharbeiten des Gesamtwerks, wider. Während Grotsteins Schriften und Bücher inhaltlich weit ausholen, ist sein Stil evokativ, effusiv, poetisch und anspielungsreich, was manchen Leser überfordern mag. Offenbar war es seine Absicht, alles, was er zu denken vermochte, auf möglichst viele Arten und Weisen auszudrücken, um jedem Leser die Chance zu geben, diejenigen Teile zu finden, die ihn unmittelbar ansprechen. Das 20. Kapitel ist Transformations gewidmet (Grotstein 2007, S. 213-234). Leser, die schon über Grundkenntnisse des Konzepts verfügen, werden davon am meisten profitieren. Grotstein vertrat folgende Auffassung: „Bion zieht das Konzept der Transformationen heran, um das psychoanalytische Denken von der Stasis zum Flux – zu konstanter Bewegung und Veränderung – weiterzuentwickeln und uns zu helfen, die unmittelbaren Prozesse zu verstehen, durch die wir ‚aus Erfahrung lernen‘: wie wir Erfahrungen ‚verdauen‘ und zu emotionaler Bedeutung und objektiver Signifikanz ‚verstoffwechseln‘“ (S. 213). Das Transformationskonzept ist laut Grotstein „die mathematische Funktion der Anpassung an das Lebendigsein. Emotional menschlich zu bleiben ist seine Inkarnation“ (S. 233). Grotstein schreibt, dass das primäre O oder das primäre Transformierte der Psychoanalyse Emotionen sind, emotionale Erfahrung und „emotionale Wahrheit“ (S. 219). Er beschreibt Transformationen mit metaphorischen Modellen wie „Verdauungstrakt“, „Synapse“, „Immunsystem“ und „Möbiusschleife“, wobei jede Metapher und ihre Beschreibung nicht lediglich eine der

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