Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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gründlich erforscht. Für Jacobs (1991, 1999, 2001) und Smith (1999, 2000, 2003) sowie die eher objektbeziehungstheoretisch orientierten Analytiker wie Ogden (1994, 1995) und Gabbard (1994) ist – trotz aller Unterschiede ihrer Auffassungen – die Subjektivität des Analytikers entscheidend für die Selbstanalyse, die die analytische Arbeit letztlich voranbringt. In dieser Denkrichtung betrachtet man die Gegenübertragung heute eher als Enactment (Harris 2005; siehe auch den Eintrag ENACTMENT). Smith (2000) vertritt im Zusammenhang mit seiner Untersuchung der repetitiven und zwanghaften Aspekte der Gegenübertragung die Ansicht, dass sie den analytischen Prozess (gleichzeitig) behindere und fördere. Smith zeigt hier für die Gegenübertragung, was Freud für die Übertragung zeigte, nämlich dass sie wahrscheinlich sowohl einen Widerstand als auch eine Antriebskraft der Veränderung konstituiert. Wie jeder Wiederholungszwang enthält auch sie ein Streben nach Gesundheit und nach Krankheit. Apprey (1993, 2010, 2014) erweitert Sandlers Konzept der auf Gegenübertragungsgefühlen beruhenden Rollenresponsivität, „um all die drängelnden Appelle und Forderungen auf dem Übertragungs-Gegenübertragungskontinuum zu untersuchen, die durch die unbewussten Wünsche motiviert sind, die in der Vergangenheit erlittenen Kränkungen und Verletzungen im öffentlichen Raum des gegenwärtigen klinischen Settings zu wiederholen oder umzukehren“ (persönl. Mitteilung an Papiasvili, 2014). Apprey, ein zeitgenössischer Freudianer, der die komplexen Bezüge und Verbindungen zwischen projektiver Identifizierung, Enactments und Rollenresponsivität zu überbrücken versucht, beschreibt den rollenresponsiven Analytiker in einer nach seinem Dafürhalten einzigartige, modernen nordamerikanischen Erweiterung und Verwendung des Konzepts als Verstärker „der psychischen Emanzipation von den destruktiven und tyrannischen inneren Objekten“, die den Patienten intrapsychisch quälen und ihm Gewalt antun. Freedman, Lasky und Webster (2009) haben innerhalb der intersubjektiven Matrix eine komplexe Kombination freudianischer, lacanianischer und winnicottianischer Konzepte der Symbolisierung und Triangulierung vorgelegt. Sie unterscheiden zwischen sogenannten gewöhnlichen und außergewöhnlichen Gegenübertragungen : Gewöhnliche Gegenübertragungen sind definiert als vorübergehende Störungen, außergewöhnlich hingegen als Sackgassen, die dem Analytiker so unerträglich sind, dass er sie aus seinem Bewusstsein ausschließen muss. Die lacanianische Theorie der durch die „Linse des Begehrens“ (Lacan 1977) betrachteten Gegenübertragung trifft hier auf Winnicotts (1972, 1974) Bezugsrahmen des „hinreichend guten analytischen Prozesses und seines „potentiellen Zusammenbruchs“.

III. B. Feldtheorie und verwandte Perspektiven Klinisch vorweggenommen von Ferenczi und Sullivan (1953, 1964) und

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