Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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psychische Apparat nach Lustgewinn durch Reduzierung des (endogenen) Reizes. Die Triebe werden psychisch durch die Vorstellung (einen Wunsch) und einen “Affektbetrag” repräsentiert, eine Registrierung der Intensität von Lust bzw. Unlust. Hier beschreibt Freud auch die möglichen Transformationen der Triebe. Sie erfolgen in Form 1. einer Verkehrung ins Gegenteil mit einer Wendung des Triebs von der Aktivität zur Passivität (vom Sadismus zum Masochismus, von der Schaulust zum Exhibitionismus) oder einer inhaltlichen Verkehrung (von Liebe zu Hass); 2. in Form einer Wendung gegen das Selbst , das dann an die Stelle des ursprünglichen äußeren Objekts des Triebes tritt (zu beobachten beim Wechsel vom Sadismus zum Masochismus oder in der Aktivität des Über-Ichs); 3. in Form der Verdrängung ; und 4. in Form der Sublimierung (einer Hemmung des Triebziels und einer Umlenkung auf sozial wertvolle Ziele, z.B. intellektuelle oder künstlerische Aktivität). In Fortführung und Weiterentwicklung der seit 1905 behandelten Themen wird der Trieb anhand seiner vier Dimensionen beschrieben: Seine Quelle ist der Körper, in dem die Bewegung des Triebs ihren Anfang nimmt; er drängt in Richtung eines Objekts , das Befriedigung durch Abfuhr von Spannung vermitteln soll; diese Abfuhr ist das Triebziel. Die vermeintlich klare Unterscheidung dieser vierdimensionalen Konfiguration enthält eine Reihe von Schwierigkeiten: Quelle : Triebquelle ist der Körperteil, von dem der Drang auszugehen scheint. Infolgedessen wurden unterschiedliche Triebe beschrieben: orale, anale, phallische, aber auch “skopische” (die Augen vermitteln Lust durch visuelles Beobachten oder Betrachten). Die Identifizierung dieser erogenen Zonen (Mund, Sphinkter, Genitalien usw.) sollte sich nicht auf die konkrete körperliche Topografie beschränken, da Freud sich der Überlegung annäherte, dass orale, anale, phallische und genitale Aktivität weniger die Triebe an sich (oder ihre konkreten körperlichen Quellen) kennzeichnet als vielmehr sukzessive Organisationsmodi der Triebaktivität (Freud 1926d). Drang/Drängen : Der Drang oder auch der “Charakter des Drängenden” ist der quantitative Aspekt des Triebes, von Freud geradezu als “das Wesen” der Triebe bezeichnet (1915c, S. 214). Damit stellt sich auch die Frage nach der Intensität und dem Ursprung ihrer unterschiedlichen Intensität. Freud überlegt in diesem Zusammenhang, ob und wie angeborene Faktoren diese Unteschiede beeinflussen. Und wie hängen diese angeborenen Faktoren mit individuell biographischen zusammen? Welchen Einfluss üben wiederum die Beziehungen des Subjekts auf die Intensität des Triebes aus? Weitere, ähnliche Überlegungen sind Gegenstand der postfreudianischen Theoriebildung. Die Antworten decken das gesamte Spektrum der Ergänzungsreihen ab. Ziel : Freud (1915c) schreibt: „Das Ziel eines Triebes ist allemal die Befriedigung, die nur durch Aufhebung des Reizzustandes an der Triebquelle erreicht werden kann. Aber wenn auch dies Endziel für jeden Trieb unveränderlich bleibt, so können doch verschiedene Wege zum gleichen Endziel führen, so daß sich mannigfache nähere oder

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