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In Jenseits des Lustprinzips besteht Destruktivität aus einer stummen Erosion des Lebens durch ein inneres, den Tod antizipierendes Element, das sich zum einen als primärer Masochismus manifestiert, zum anderen nach außen, in die Objekte, projiziert wird. Die destruktive, sich als Gewalt äußernde Aggression ist dem primären Todestrieb hier nachgeordnet und findet in verschiedenen Formen selbstzerstörerischer Einstellungen und Verhaltensweisen Ausdruck. 10 Jahre später, in Das Unbehagen in der Kultur (Freud 1930a ) liegt die Betonung stärker auf den nach außen gerichteten destruktiven Manifestationen des Todestriebs. Dem Todestrieb eignet u.a. der „instinctual aspect“ des Triebes. Auch wenn die Unterscheidung zwischen „drive“ und „instinct“ in Stracheys Ausgabe der Standard Edition verlorengegangen ist, enthält der Todestrieb sowohl den „konservativen“ als auch den „regressiven“ Charakter des „instinct“. Darüber hinaus betont dieses Modell die maßgebliche Rolle, die der Verdrängung destruktiver Triebe für die kulturelle Entwicklung zukommt. Es erklärt den Prozess der Internalisierung der Aggression ins, wie es später heißt, Über-Ich sowie die Ursprünge und Gefahren von Schuldgefühlen. In seinen aufeinanderfolgenden Formulierungen von Eros und Todestrieb/Zerstörungstrieb beschreibt Freud (1920g, 1930a, 1939a, 1940a [1938]) die Tendenz und das Ziel des Lebenstriebs/Eros (sowohl Sexualtrieb als auch Selbsterhaltungstrieb), stetig wachsende Einheiten zu erzeugen und zu erhalten, die dem Prinzip der Bindung gehorchen. Das Ziel des Todestriebs wiederum ist die Auflösung von Verbindungen, ist innere und äußere Zerstörung. III. Abb. Von klinischen und entwicklungspsychologischen Beobachtungen zur psychoanalytischen Theorie: europäische Perspektive Ausgehend von traumatischen Zuständen, Übertragung und Kinderspiel, beobachtete Freud in allen drei Bereichen eine Tendenz zur Wiederholung , und zwar ungeachtet der lustvollen oder unlustvollen Folgen. Diese Tendenz hatte einen „blinden“ oder „rücksichtslosen“, getriebenen Charakter. Dieser Widerspruch zum Lustprinzip verlangte nach einer Erklärung. Gab es ein Ziel, das grundlegender war als das Streben nach Lust, ein Ziel, das sich im „Wiederholungszwang“ zeigte? Infolge der Arbeit mit traumatisierten Patienten, die am 1. Weltkrieg teilgenommen hatten und deren Albträume sich auf der Grundlage des Lustprinzips nicht erklären ließen, wurde eine neue Triebdualität in Form der Lebenstriebe und des Todestriebs postuliert. Die Lebentriebe zielen auf den Erhalt und die Verstärkung der Lebensprozesse, während der Todestrieb alles Lebendige auszuschalten und zu negieren bestrebt ist. Die Lebenstriebe wurden als ein Versuch, Brücken zu bauen und Bindungen herzustellen, neue Verbindungen zu schaffen und immer größere Einheiten zu bilden, charakterisiert und umformuliert. Dies ist das Prinzip des Eros . Der Todestrieb hat einen negierenden Charakter und ist durch den Zusammenbruch von Verbindungen, durch Behinderung jeglichen Verkehrs über vorhandene Brücken, charakterisiert. Mithin gibt es zwei Regulationsprinzipien des psychischen Lebens: die
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